Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 10. Januar 1925

Stuttgart, 10.1.1925.

Auch heute. Liebste, nur ein paar Worte. Eben erhalte ich Deine Karte.
Der erste Gruss aus Wien, tausend Dank. Chronik der bisherigen Reise:
Im Schlafwagen bis München wenig geschlafen. In München an 8. um 10 Uhr; -
Rheinischer Hof; – mit Lili gegen Mittag Spaziergang. Beide müd, -in ein
Panorama (Sizilien und Wetterstein (Klettertour)), um uns auszuruhn. Bei
Manns gut, zu gut gegessen. Herzlichkeit. Im Hotel; – Lili legt sich
gleich nieder.–Ich zu Glümers; – trübselige Verhältnisse. Freude über
mein Kommen. M. G. bettlägerig. Gusti, die Schwester, gibt Klavierlektionen,
der Sohn kleine Stellung, 60 Mark monatlich. – Zu Manns – musste um ½10
»heim«, wegen Uebelbefinden, das auch die Nacht ein wenig störte.–Am 9.
(gestern) nach Stuttgart (8-1). Im Coupé »vorbereitet« für die Vorlesung.-
Hotel Marquard, wir speisen mit dem Arrangeur Walter Guttmann (Buchhänd¬
ler), -bummeln ein wenig,– Von 5-7 im Hotel; Ruhe und Durchlesen. ½8 Vor¬
lesung. Ziemlich grosser Saal (700 etwa) – bis auf den letzten Platz
gefüllt. Lese Dreifache Warnung, Leisenbogh; – dann Grosse Szene, mit starker
Wirkung (war selbst nicht ganz zufrieden.) Nachher »zwangloses« Nacht¬
mahl der 25 Personen; Bürgermeister, österreichischer Consul, Regisseur
des Theaters u. Andere. Die Weiber sahen furchtbar, unwahrscheinlich aus.
Um 12 im Hotel zurück. Gut geschlafen. Jetzt wartet Lili in der Halle,
wir wollen eh uns der Zug nach B.B. entführt (um 1), -noch einen Spazier¬
gang in die höheren Stadtteile unternehmen. Und zu Ende packen soll ich
auch. Dieses Packen – es macht mich immer unglücklicher.

Leb wohl -nimm diese flüchtigen Zeilen wie sie gemeint sind,
als »Bericht« – und sei innigst umarmt. Dein A.