Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 9. August 1924

Celerina Cresta Palace,

9.8.1924.

(nach Se[e]lisberg)

Liebste Clara Katharina, der gestrige Tag war Zuos gewidmet, und das
Resultat ist, dass ich nicht dorthin übersiedle, sondern in Celerina blei¬
be. Die Landschaft ist hier unvergleichlich schöner, – das Hotel überhaupt
nicht zu vergleichen. Das Kurhaus Kastell liegt, wie Du Dich ja er¬
innerst, hoch über der Bahn; auf sonniger Strasse wandelte ich mit Heini,
der mich an der Station erwartete, fast eine halbe Stunde hinauf. Der Blick
von oben, südlich von Celerina, sehr anmutig, – das Terrain um das Hotel für
Skiläufer einzig,– aber für sommerliche Wanderer weniger verlockend. Ein
paar ebene Pfade,– nicht weit führend, -entweder muss man hinauf oder
hinunter, ohne Wald. Die Zimmer alle ganz nett. – Das Lunch fand ich mässig-
nachher sass ich in der Halle mit O., den Kindern und Frau K., und
ihrer 14jährigen Tochter. Scheint eine sehr kluge gebildete, übergebildete Frau; -
lebt in Köln; reger Verkehr mit Salzens und dem Heidelberger Universität¬
kreis scheint zu bestehen. Die Tochter vollkommen der Gegensatz zu Lili ;
und ich zweifle, dass sich die Töchter so gut verstehen werden wie die
Mütter.–Die Kinder behagen sich sehr in Zuoz (wenn sie dort sind -und
wie es scheint, noch mehr in St. Moritz); und Olga wird sich, da sie ohne¬
dies nicht viel gehn darf, (was ihrem Geschmack entgegenkommt) gewiss
dort wohl fühlen. Für mich wäre es ehrlich nichts.–Nachmittag erschienen
Marianne und Liesl aus Pontresina Hotel Enderlin. Mit Franz Mynssen mach¬
te ich kleine Spaziergänge in der nächsten Umgebung des Hotels; er fährt
heute nach Braunwald im Glarus.–Um 6 zur Bahn mit Heini, Mynssen und den
Damen P. Kaum waren wir unten brach ein Hagelschlag los.–Um ½8 war ich
»daheim«; schleuderte mich in meinen etwas schäbig gewordenen Smoking;
ass aber erst als die Andern schon fertig waren. Schloss dann mit dem Di¬
rektor ab, wie ich es gewünscht hatte: Pension; und jede Mahlzeit, die ich
nicht im Hotel nehme, wird von der Pension abgezogen (so dass die Verpflich¬
tung des Lunchpackerls entfällt); – nach dem Essen