Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 1. Juli 1924


in der Druckerei nur gehört, es sei kein Platz gewesen und das
komme sehr häufig in letzter Minute vor. Ich meinte, dass, wenn man
Gedichte so dringend reklamiert, müsse man auch den Platz reservieren.
Richtig, gestern Vormittag war ich wieder bei Frau Rundt, berichtete
über meine Unterredung mit Direktor Thal, die ich nicht für sehr aus¬
sichtsreich hielt. Frau Rundt, die sich für mich zu interessieren
scheint, sagt, sie würde selbst nochmals mit Thal sprechen und mich
auch bei Frau Heller anmelden. Sie empfahl mir auch nochmals mich
an Zsolnay zu wenden, aber in der Richtung tue ich nichts, ohne Deine
Ansicht gehört zu haben. Frau R. sprach dann noch ziemlich lang
mit mir, über ihr Leben, ihre Vergangenheit und allgemeine Kunstfragen
und Geschmacksrichtungen. Wir sind da nicht sehr einer Ansicht. Sie
scheint sehr intelligent, hat viel gesehen und viel gehört, ist aber
sogar mir zu männlich und zu deutsch.

Eben kam ein grosser Rosenstrauss von Herrn Thiess, der für 14 Tage
nach Ischl fährt. Ich weiss bei Gott nicht wie ich dazu komme. Poldi
wollte sie zu Deinen Rosen dazu tun, die leider schon im Abfallen
begriffen sind, aber ich habe geschrieen und sie damit ins Wohnzimmer
geschickt. Sie soll sich denken, was sie will. Heute Mittag kommen Anna
und Maria, die Samstag Abend abreisen. Ich werde diesen Brief gegen
Abend und morgen Früh weiterschreiben und dann wohl nach Salzburg
senden, da er Dich laut Programm in Baden-Baden nicht mehr erreichen
dürfte, auch wenn ich ihn heute abschicke.
½ 8 Uhr Abend.

Ich sehe eben beim Durchlesen, dass ich anfangs X mal das Wort »übrigens«
geschrieben habe. Da dies aber keine Stilübung sein soll, schreibe ich
den Brief doch nicht ab. Um 4 Uhr sind meine Gäste fortgegangen und
seither lese ich unausgesetzt Balzac. Ich kann Dir nicht sagen, wie
mich dieses Buch ergreift, besonders dieses grosse kindliche Herz, das
aus jeder Zeile spricht. Es ist alles Gefühl, Empfindung und gar keine