Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 28. Juni 1924

Baden-Baden,Hotel Gunzelmanhof

28.6.1924.

(nach Wien)

Ein paar Worte, Liebste, noch ehe ich in die Stadt gehe telegraphieren.
Die Reise war nicht sehr gut; ein Schlaflosigkeitscoupé; der Tag von
München bis Baden-Baden (entsetzlich heiss, unerträgliche Kopfschmerzen,
mit denen ich auch noch ankam.) Am Bahnhof wurden wir erwartet; Nacht¬
mahl in der Herchenbachstrasse; – vorläufig wenigstens
harmlose Gespräche über die Lage des Hauses, der Blick von der Terras¬
se aus entzückt mich wieder. B.-B. noch recht leer; auch das Hotel,
in dem ich wohne, und eben, als Einziger, in der Glasveranda frühstücke.
In der Nacht ist ein heftiges Gewitter niedergegangen, jetzt ist es ganz
kühl, mit feinem Staubregen. Schon die bisherigen spärlichen Erfahrungen
beweisen mir, dass es hier durchschnittlich doppelt so theuer ist als
bei uns- – Lektüre auf der Reise: Proust- (dann in den Nouvelles
littéraires, aus denen ich übrigens entnehme, dass Marcel Proust Jude
ist), -Novellen von Lucka.

Nun auf in die Stadt; ich will gleich, wenn's zu regnen aufhört,– der
Himmel lichtet sich ein wenig – in die Wälder vom vorigen Jahr (wo es
uns übrigens heute »jedenfalls« zu nass wäre).

Sei zärtlich umarmt, mein Liebes,

Dein

A.