Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 12. August 1924


unverständlich und noch unverständlich, dass sie ihm je etwas be¬
deuten konnte. Es gibt keinen Menschen, dem sie nicht unsympathisch
ist. Sie war mir odios zu einer Zeit, wo ich nicht ahnte, dass A.
und ich je zueinander finden werden. Sie hat ihm zwar gesagt, sie
habe schon im Sommer 1916, als er mich in Ischl besuchte, den Ver¬
dacht gehabt, aber das muss ein Vorgefühl bei ihr gewesen sein,
an dem wir beide schuldlos waren.

Wenn man mir vor 1½ Jahren noch gesagt hätte, wie es kommen würde,
ich hätte geschworen, es sei ausgeschlossen. So fern waren wir uns.
Ich bin übrigens sehr froh, dass es zu dieser Aussprache in Baden-¬
Baden kam denn ich habe gerne Klarheit in allem und ich habe das
Gefühl, dass unsere Beziehung dadurch noch inniger geworden ist. Wir
haben seit seiner Rückkehr am Montag so schöne Stunden miteinander
verbracht. Mittwoch hat er mir die »Else«-Novelle vorgelesen. Sie
ist eigentlich ein dramatisches Kunstwerk und ich meinte, er sollte
sie überhaupt mit Monodrama bezeichnen und sie mit der Bergner auf¬
führen lassen. Ich glaube, das wäre fabelhaft. Wir waren beide ganz
erschöpft und dabei sehr aufgeregt, als die Lektüre beendet war.
Ich habe dann mit ihm allein auf der Terrasse seiner Villa genacht¬
mahlt – Es war ein so wunderbarer Abend und ich war so erfüllt von
Glück und Dankbarkeit, dass ich am liebsten seine Hände geküsst hät¬
te. Als es kühl wurde, setzte er sich ans Klavier und spielte und
ich sass ganz dicht bei ihm und mein Herz war voll Liebe.

Heute Abend bin ich wieder einmal zuhause und ich hoffe, Kary wird
auch da sein und wir können zusammen plaudern, was jetzt selten vor¬
kommt. Kary ist auch auf Liebeswegen und Harry amüsiert sich.