Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 24. Juli 1923

Ich will mich auch in Baden-Baden recht erholen und gut aussehen, wenn
Du kommst, denn jetzt bin ich sehr blass. Ich will viel in der Sonne
liegen.

Hier ist es ja wunderschön, aber eben deswegen empfinde ich das fort¬
währende Alleinsein fast quälend. Denke doch nur, tagelang mit keinem
Menschen ein Wort wechseln können, am Abend sitze ich immer auf meinem
Balkönchen oder lese in der Fensternische. Die Theater sind geschlos¬
sen und beim Bummeln in den Strassen wird man angesprochen.
Den Bode hab ich mir gleich angeschafft und lese ihn mit Entzücken.
Die ganze Zeit wird durch dieses Buch so lebendig. Auch einen Gundolf
in Leineneinband um 240.000 Mark habe ich erstanden. Schade, dass ich
so wenig Platz in meinem Schrankkoffer habe.

Fortsetzung um 1/2 9 Uhr nach dem Frühstück.

Eben bringt mir die Post zwei sehr liebe Expressbriefe, einen von Dir,
einen von meinem Sohn Karl Friedrich. So ist nun alles so weit ent¬
schieden. Ich fahre Samstag Mittag hier fort und 9 Stunden nach Ba¬
den-Baden, Waldparksanatorium Heinzheimer und werde nichts tun als mich
auf das Wiedersehen mit Dir freuen! Jetzt will ich mich rasch fertig
ankleiden und nach Belvedere fahren und gegen Abend möchte ich durch
den Park nach Tiefurt wandern. Es sind heute viele frohe Gedanken in
mir, die mich begleiten werden.-

Auch der Brief meines Sohnes macht mich sehr froh. Ich werde ihn Dir
zeigen und Du wirst sehen was für ein prachtvoller Mensch er ist. Man
muss Gott danken, wenn man einen solchen Sohn hat!

Für heute genug – ich kann nie ein Ende finden und Du bist doch für
plötzliches Abschiednehmen. – Ich küsse Dich innig. Deine

Clara Katharina.

Ich hoffe ich finde in Baden-Baden ein paar Zeilen von Dir vor.