Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 26. Juli 1923

Wien, 26.7.1923.

Liebste Clara Katharina – vielen Dank für das Epheublatt und den
schönen Brief aus Weimar. Hoffentlich erreicht Dich dieser noch dort.
Deiner Thränen vor Goethes Sterbezimmer musst Du Dich nicht schämen -
mir ist es geradeso ergangen. 17 Jahre sind es her, dass ich dort war;
ferne und doch so nahe Tage. Du hast hoffentlich nicht versäumt Ilmenau
und den Gickel (oder Gockel) Hahn anzusehn (Warte nur – balde)? -

In den letzten Tagen hatte ich interessante Unterredungen mit Korff und
mit Paulsen – dies sind nur Schlagworte, Details mündlich. Gestern war
ich mit F.S. zusammen. Ich bekomme eben eine sehr dringende Einladung
nach Salzburg, wo ich bei Stefan Zweig mit Romain Rolland zusammentref¬
fen soll: – ich bin noch nicht entschlossen; es würde im übrigen meine
weiteren Pläne nicht berühren; ich hielte mich eben einen Tag auf der
Hinreise nach Baden-Baden in Salzburg auf. Am 7. spätestens möchte
ich dort sein. Nicht ganz unmöglich aber ist es, dass meine Familie in die¬
ser Zeit nicht in Baden-Baden, sondern etwa auf der Bühlerhöhe sich
aufhält, in welchem Falle ich oben wohnen würde. Wie lange bleibst Du
in Baden-Baden? Du erwartest dort (nehme ich schüchtern an) mein Kommen
ab? Ich werde Dich rechtzeitig verständigen und wir werden uns für al¬
le Fälle (fürs Erste) nicht allzuweit von Deinem Waldparksanatorium
treffen. Ueber den Feldberg hoff ich noch hieher Auskünfte zu bekommen,
was Preise etc. anbelangt. Realisiert sich Feldberg nicht, so bleibt
Friedrichshafen am wahrscheinlichaten, von wo der Weg in die Schweiz
gegeben ist. Engadin ist von da aus am bequemsten zu erreichen. Näheres
Programm lässt sich heute kaum machen; – ich denke alles, sowohl das Al¬
leinsein, wie das Zusammensein in die greifbarste Nähe – all das wird
sich nun, da Du mein Wesen mit nachsichtigem Verständnis zu erfassen
beginnst, von selbst ergeben. Ich danke Dir sehr! -

Mit meiner Arbeit geht es besser vorwärts als seit langem. Die Zustän¬
de in Deutschland bedrücken mich aus allgemeinen und aus besonderen
Gründen sehr. Das Geschäftliche steht wie es gestanden ist; – nur das