sechs Wochen.– Du sagst am Schluss Deines Briefes: »Schreib mir immer
so lieb«. Das will ich gerne tun, es liegt mir mehr, warm und herzlich
zu Dir zu sein als reserviert. Es entspricht mehr meinem ganzen
Wesen. Aber es muss eine gewisse Gegenseitigkeit vorhanden sein, sonst
schäme ich mich einfach.
Ich fühle mich hier sehr wohl. Ich wohne im Goethezimmer! Man hat es
mir ganz von selbst angewiesen und das macht mich ganz stolz. Es
haben ja viele tausend Menschen in diesem Raum seither gewohnt und
doch sage ich mir allabendlich, wenn ich mich in dem schmalen Empire¬
bett ausstrecke, dass Goethe in diesem selben geatmet, gedacht, geruht
hat und wenn ich über die schönen alten Möbel streiche, dann denke
ich, vielleicht hat irgend eine Stelle vor mir nur seine Hand berührt.
– Meine Nerven sind übrigens noch immer in keinem einwandfreien
Zustand. Als ich vorgestern an der Türe von Goethes Sterbezimmer stand,
stürzten mir plötzlich die Thränen aus den Augen, so dass alle Leute
mich verwundert ansahen. Dieses Unbeherrschtsein vor Fremden ist
sonst nicht meine Art.
Ich weiss übrigens nicht, ob mich alles hier so ergreifen würde, wenn
nicht diese Beziehungen zwischen uns wären. Es ist wie ein Zusammen¬
hang in alledem. Wissen wir denn immer ganz genau, wo die Wurzeln un¬
serer Empfindungen stecken?
Vielleicht hätte ich Dir das alles gar nicht sagen sollen, aber nun
steht es einmal da und ich nehme nichts zurück.
Wenn Du mir express schreibst, erreicht mich Deine Antwort noch vor
meiner Abreise. In Baden-Baden bleibe ich höchstens 10 Tage, denn es
ist mir dort zu teuer. 600.000 Mark im Tag – und wähle dann einen bil¬
ligeren Ort, hoffentlich Feldberg. Ausser Nachrichten von Dir stossen
alle Pläne um. Ich sende Dir ein kleines Epheublatt, das ich bei Goethes
Gartenhaus für Dich und mit lieben Gedanken an Dich pflückte und
küsse Dich. Deine Clara Katharina.
Es bedrückt mich sehr, dass Du Dich mit so grauslichen Dingen und Men¬
schen herumschlagen musst. Das muss anders werden.