Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 18. Juli 1923

Wien (nach Heringsdorf),

18.7.1923.

Liebste Clara Katharina, der Kartenbrief aus dem Coupé, sowie die Karte
aus Berlin habe ich erhalten – danke schön. Den heissen Sonn¬
tag habe ich bis abends daheim ruhend und arbeitend verbracht, genacht¬
mahlt in grösserer Gesellschaft (Beer-Hofmann, Menczels u.A.) bei
Kratzer. Montag diktiert, gearbeitet – Abend nach dem Nachtmahl bei
Schmutzers. Am Nachmittag eine längere Besprechung wegen des Medardus-
Films, der mir Samstag vorgeführt wurde. Wünsche auch einige Neuaufnah¬
men, da manche ganz verhaut. Die Affichen habe ich fast ohne Ausnahme
ändern müssen, sie waren weder deutsch noch irgendwie verständlich, ins¬
besondere Napoleon äusserte Unmöglichkeiten – wie sich der kleine
Moritz – und dazu einer aus Budapest die Weltgeschichte vorstellt!
Gestern Vormittag eine längere Konferenz mit dem Verleger Weinberger; –
ich erfahre neulich aus der Zeitung, dass der Casanova in Amerika be¬
reits gedreht wird – und will, wenn's irgend geht, diesen neuen Millio¬
nendiebstahl an mir zu hintertreiben versuchen. Heute arbeite ich schon
seit Früh Morgens.– Die Ruhe im Hause (auch Wuki
ist fort) empfinde ich ganz wohltätig. Du und die Hofrätin – Ihr habt
hoffentlich nicht gar zu übel über mich geredet – ? Ich küsse Deine hoch¬
mütigen, aber keineswegs mörderischen Finger. Alles Herzliche und Gute.

Dein

A.