Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 16.–19. Mai 1923

Kopenhagen 16.5.1923.

Liebe, verehrte gnädige Frau, tausend Dank für die schöne illustrierte
Karte, die eben ankam und die lieben Wünsche. Heute Abend fahre ich
nach Stockholm; es kam eine dringende Einladung zu einer Vorlesung,
eine zu einer Aufführung der »Liebelei« am königlichen Theater, erstere
am 18., letztere am 22. Am 23. will ich nach Berlin, am 27. nach Wien
fahren. In St. bin ich zu einem mir unbekannten Direktor Singer ge¬
laden. Eventuell kommt dort eine Vorlesung in Upsala dazu. Hier war
der Erfolg sehr gross. Auch gestern Abend im Königlichen Theater »Die
grosse Szene«. (Blumen, als wär ich ein Tenor oder wenigstens ein Ba¬
riton). Das Wetter leider konstant unfreundlich. Wollen Sie mir eine
Nachricht nach Berlin senden (Dr. Michaelis, Hohenzollernstr. 96, Berlin-¬
Dahlem), geschlossen, so dass ich sie bei meiner Ankunft dort vorfinde,
so würden Sie mich sehr sehr erfreuen und im übrigen ist es auch hier
eine ziemlich gehetzte Existanz, aber in einer milderen Atmosphäre.
Alles chronologische spar ich mir auf mündliche Unterhaltung auf.
Seien Sie vielmals und aufs Herzlichste gegrüsst! Sie hören noch et¬
liche Mal von mir. Ihr A.S.

- – - – - -

Stockholm,19.5.1923.

Meine liebe verehrte gnädige Frau, gestern bin ich hier angekommen,
habe eine Verfilmung und ein halb Dutzend Interviews hinter mir
(Reclam-Journalismus haben hier amerikanische Dimensionen); wohne an¬
genehm bei einem aus Berlin gebürtigen Stockholmer, bin von der Stadt
wieder entzückt – aber es ist fast winterlich kalt. Die Bäume fangen
eben erst zu grünen an. Heute Vorlesung: am 22. Liebelei, am Donnerstag
hoff ich in Berlin u. wenige Tage drauf in Wien zu sein. Seien Sie von
Herzen gegrüsst! Ihr A.S.