Während meiner fast zehnjährigen Ehe habe ich A. S. nur einmal flüchtig
begegnet. Ich lebte ja in einer der Literatur völlig abgewandten At¬
mosphäre, auch hatte mein Mann eine seltsame Eifersucht auf A.S., die
durch nichts zu begründen war, die sich aber in gewissen, halbironischen
Bemerkungen über diese verflossene Freundschaft äusserte. Ich schrieb
(aber immer im Geheimen) doch ab und zu Gedichte, kleine Skizzen und
einmal sogar ein grosses Stück in Versen, das ich »Sehnsucht« nannte. Nur
ein paar Gedichte, deren sich ein Freund meines Mannes, Karl Fürst, annahm,
erschienen unter dem Pseudonym Cl. Béol in verschiedenen Tageszeitungen.
Im Jahre 1905 traf ich A.S. flüchtig auf dem Semmering.
Ich war dort nach einem Aufenthalt am Lido mit meinen beiden Buben,
Nurse und Kammerjungfer im Südbahnhotel angekommen und zu
jener Zeit eine ganz mondäne Frau, die sich durch Flirts über den Zusam¬
menbruch ihrer Ehe zu trösten suchte. Ich war schrecklich versnobt,
ganz auf Eleganz eingestellt und die jungen Leute, die mir den Hof mach¬
ten, war durchwegs Beamte des Auswärtigen Amtes oder in Bezirkshaupt¬
mannschaften. Baron Rudi Prandau war meine platonische Liebe.
Als ich einmal durch den Cafésalon des Südbahnhotels ging,
erhob sich A.S. von einem Tisch, wo er mit einer Anzahl sehr prononziert
jüdisch aussehenden Frauen gesessen hatte, und begrüsste mich.
Wir waren Beide etwas verlegen. Ich hatte Angst mit seinen Damen bekannt
gemacht zu werden, ahnte, dass sich seine Frau unter ihnen befand, und
hatte es eilig fort zu kommen. A. S. sagte später einmal meiner Schwes¬
ter von dieser Begegnung, dass ich sehr fremd und sehr elegant gewesen
sei. Er hatte mir gar nicht gefallen. Er schien mir zu dick, zu rosig
und ich war damals seinem Werk zu sehr entrückt, als dass er mir als Dich¬
ter etwas gesagt hätte.
Erst nach vielen Jahren – ich war längst Witwe – begegnete
ich ihm einmal mit seiner Gattin in der Stadt u.zw. vor dem Spielwaren¬
geschäft Kober am Graben. A. machte mich mit seiner Frau bekannt und ich