Hugo von Hofmannsthal an Marianne Benedikt, 16. April 1897

An Fr. Marianne Benedikt

Hofmannsthal.

Charfreitag.

Verehrte gnädige Frau, verzeihen Sie wenn ich
Ihnen doch antworte, obwohl Sie es mir verboten
haben. Ich habe Ihre Karte zuerst zweimal gele¬
sen und absolut den Zusammenhang nicht verstan¬
den. Jetzt verstehe ich ihn natürlich schliess¬
lich, aber das Ganze kommt mir so widersinnig
vor, glücklicherweise ebenso unwahrscheinlich
als es unangenehm zu besprechen ist. Der Zusammen¬
hang ist, dass Ihr Fräulein Tochter Minnie heisst
und die Person in dem Buch Minni, denn dass ich
für Ihr Fräulein Tochter ein Gelegenheitsstück
geschrieben habe und für das Buch einen Prolog:
deshalb soll jemand glauben, dass Ihre Tochter
diese Sachen geschrieben hat. Aber das müsste doch
ein complet Verrückter sein oder jemand, der mit
dem Fräulein Minnie nie eine Silbe geredet hat,
es widerspricht doch so vollkommen ihrer Art, jedes
Wort davon; dann hat sie doch überhaupt nie et¬
was geschrieben. Dass das Buch Minni heisst, ist
weder dem Arthur noch mir je aufgefallen und ich
weiss bestimmt dass wir es vor dem Fräulein Minni
einmal erwähnt haben und dass es ihr nicht im ge¬
ringsten aufgefallen ist, obwohl ich nachher bemerkt
habe dass die Frau v. Sachs sie so nennt. Aber eben
eine solche Aehnlichkeit würde man doch zuerst
vermeiden. Wenn mich jemand um den Autor fragt
(übrigens lesen in Wien jetzt keine 20 Menschen
mehr die Freie Bühne) so gebe ich einfach gar keine
Auskunft, was ja durch die Situation vorgeschrieben
ist. Was die Sache selbst betrifft, so will ich
auch etwas sagen, weil Sie auch davon sprechen.
Ich habe die Vorrede geschrieben aus demselben
Grund, den man angeführt hat wie man mich darum ge¬
beten hat: nämlich weil das Buch eine Art Nachah¬
mung von dem »Anatol« ist und vor diesem auch ein
Prolog von mir steht. Ich habe damals, im Dezem¬
ber, die Clara Loeb vielleicht 6 oder 10 mal ge¬
sehen gehabt und gerad so gut gekannt wie 100