Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 21.–23. Oktober 1931

Nachher mit Herr und Frau Dr Kapper, die auch im Theater waren, bei [»]Meisel
und Schaden« genachtmahlt. Recht gemütlich und A. nachdem er etwas gegessen
hatte wieder in besserer Verfassung und gesprächig nachdem er sich im The¬
ater wieder elend gefühlt und sehr geklagt hatte. Ich versteh Dr. D. nicht.
Mich meidet er. Was für ein schlechtes Gewissen muss er mir gegenüber haben.

A. Liess sich von Dr Kapper den Puls fühlen. Ich flüsterte ihm zu
(nämlich Dr. K) »nichts sagen« Später animirte Conversation. A sagte:
Das Leben ist doch schön und interessant – ich möchte um der schönen Stunden
willen gleich noch einmal Leben. Dr K. nahm einen ähnlichen Standpunkt ein.
Wir Frauen meinten, wir hätten mit einem Mal genug-

Heimfahrt still aber nicht unfreundlich. A. sagte, er habe mich heute Vor¬
mittag in der Stadt gesucht, sei über den Graben gegangen.

Heute rief A. mich schon um ½8 an. Er hat sich in der Nacht nicht wol gefühlt
Üblichkeiten. Ich riet ihm Vormittag zu Hause zu bleiben.

22ten Oktober – Vorbei – –

22ten

Am 21ten Okt. gegen 12 rief Frieda mich hinüber – sie hat ihn als sie zum Dik¬
tat kam am Boden seines Zimmers gefunden. Er soll ganz kurze Zeit fortge¬
wesen sein (Minna glaubt nur an der Post oder beim Postkasten und ist sehr
heiter heimgekommen.[)] – Aderlass tiefe Bewustlosigkeit. Ich hielt seinen Kopf
in meinen Händen bis zu seinem letzten Athemzug.

Jetzt bin ich heimgekehrt. Die Nacht nach seinem Tod durfte ich bei ihm
bleiben. Gestern zwischen 6 und 7 war es vorbei. Und das Leben soll weiter
gehen – –

23ten. Heute wurde er begraben. – Ich stand an seinem Sarg in seinem Zimmer
bis man ihn forttrug. Die Kinder fuhren mit mir hinaus –

Die O. und Heini seit gestern hier. O. und ich reichten einander an seiner
Leiche die Hand. Sie ist geschminkt thränenlos komödiantisch. Heini fiel mir
um den Hals.

[A]ls ich ge[s]tern drüben fortgieng kam Frau Cl. Grau im Gesicht starrte sie mich