Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 17. August 1931

Gastein, 17.8.1931.

Mein liebes Kind, ich habe Dich heute Früh unter den Eindruck Deines
Briefes angerufen, um neuerliche schriftliche Debatten zu ersparen und
Nerven wenn möglich zu schonen. Es täte mir leid, Dich erst recht da¬
mit irritiert zu haben.

Ich könnte nur schriftlich wiederholen, was ich eben telefonisch sagte:
es ist nicht einzusehn, warum ich und schon gar in der jetzigen Situa¬
tion alle Concessionen machen muss und von der andern Seite nichts
verlangt werden darf.

Es gehen so viele gute Züge mit Schlafwagen über Wels nach Berlin, die
dort in den angenehmsten Morgenstunden eintreffen, dass ich nicht ver¬
stünde, warum ich nicht am Samstag um 8 Uhr abends eintreffen könnte.
Die Abreisenden müssen ja Gmunden ohnedies um die Mittagszeit verlas¬
sen. Ich aber müsste hier am Sonntag in überfüllten Zügen reisen,
da die meisten Leute zum Montag nach Wien fahren. Und wozu? Um 7
schon jetzt von Dir festgelegte und sehr problematische Tage dort zu
verbringen. Vielleicht würde es nur ein Tag sein.–wir wissen es heute
nicht, aber keinesfalls dürfte von Dir heute schon ein Limit gesetzt
werden. Um mir dieses Beisammensein wünschenswert erscheinen zu las¬
sen, hätte von Deinen Briefen etwas ganz anderes ausgehen müssen, als
ich beim Lesen empfand. So erscheint mir dieses Wiedersehn als ein
schlecht und lieblos inszeniertes Stück mit falscher Besetzung der
Hauptrollen. Vielleicht belehrt mich der angekündigte Brief eines bessern,
wenn nicht – reise ich.-

Mit allen guten Wünschen für Dich

Cl.K.