Wien, 6.8.1931.
(Brief von Dr. D.)
Sehr liebe gnädige Frau, vielen Dank für Ihre lieben und ausführlichen
Briefe. Ich freue mich unendlich Ihnen in dieser schweren Zeit auch nur
etwas sein zu können, dem gegenüber man seine Gefühle ehrlich aus¬
schütten kann. Der Onkel Arthur ist heute Vormittag abgereist. Er
hat in den letzten Tagen zunehmend schlecht ausgesehen und ist sicher¬
lich auch erholungsbedürftig. Ich habe ihm ihre Briefe gezeigt, weil
ich der Ansicht bin, dass sie ja doch in erster Linie an ihn, wenn auch
nicht bewusst gerichtet waren. Trotz Ihrem Zweifel kann ich Ihnen
nur wieder berichten, dass sie einen ganz grossen Eindruck auf ihn ge¬
macht haben und er mir versichert hat, dass es ihm sehr schwer
um Herz ist. Der Gedanke, dass Sie unglücklich sind ist für ihn sicher¬
lich ebenso quälend wie die Zeit, in der Sie ihn seiner Freizügigkeit
berauben wollten. Ich glaube nach wie vor an eine für beide Teile
günstige Lösung der Situation. Diese Trennung, die ja nicht lange dau¬
ern wird wird einen wohltuenden Erfolg haben. Er wird besonders stark
spüren, was er an Ihnen hat und Sie werden hoffentlich einsehen, dass
ein so ungewöhnlicher Mensch auch ungewohnlich behandelt werden muss.
Wenn Sie imstande wären ihn von heute auf morgen oder auch nur auf
übermorgen zu vergessen, ja wenn Sie ihn überhaupt aufhören könnten zu
lieben, dann würde ich Ihnen nur zureden es zu tun und wurde mich um
ein Wiederaufleben der Beziehungen nicht im mindesten bemühen; denn dann
wären Sie ja jetzt gar nicht so unglücklich und würden vor allem die
Kraft, die die Liebe zu einem solchen Mann verlangt, nicht aufbringen.
Aber so ist es ja nicht, liebe gnädige Frau. Sie wissen ja weit bes¬
ser als ich, was Sie alles für diesen Mann tun könnten. Sie wollen
nur wissen, ob Sie auch berechtigt sind das alles zu tun. Ich habe Sie
in dieser Zeit kennen gelernt und habe, das muss ich Ihnen gestehn,
meine Freude daran gehabt. Sie haben sich edel und stark bewiesen, wie
es wenige in Ihrer Situation getan hätten. Sie würden alles für diesen