Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 18. November 1930

An A.S., Berlin.

Wien, 18.11.1930.

Mein Liebes,

Deinen lieben Brief vom 16. fand ich gestern Abend vor,
als ich um 7 Uhr heimkam und ich danke Dir sehr, dass Du Horch angeru¬
fen hast. Es war sehr lieb von Dir, obwohl ich Deinen Pessimismus voll¬
auf teile. Man probiert's halt! Preminger hat mir übrigens mein Stück
noch nicht zurückgeschickt, obwohl ich es telefonisch und schriftlich
reklamierte. Gestern war ich so ziemlich den ganzen Tag unterwegs und
ebenso heute Vormittag und habe schrecklich gefroren. Es ist plötzlich
kalt geworden und mein Mantel wird im besten Fall für Sonntag fertig
sein. Ich bin froh, heute nicht mehr fort zu müssen, nur diese Zeilen
werfe ich selbst in den Kasten, denn ich habe die Else, der Magda zum
Helfen beim Übersiedeln geliehen und Mittag nur ein Stückchen Schinken gegessen. Gestern
Abend war Frieda zum Nachtmahl und Diktat hier und wir haben bis 10
Uhr gearbeitet. Der erste Teil der Novelle scheint recht gelungen,
trotzdem ist es mir klar, dass ich sie mit mehr Fleiss als mit Zunei¬
gung schreibe.– Meinen Expressbrief Nr. 3 wirst Du wohl heute erhalten
haben und ich rechne noch auf ein paar liebe Zeilen und den verspro¬
chenen Anruf.– Ich hoffe sehr, dass all die ermüdenden Besprechungen
doch zu einem guten Resultat führen und Du in einer frohen und zu¬
friedenen Stimmung heimkehrst, die für uns Beide einen guten und be¬
glückenden Winter einleiten möge – – –

Dass S. Fischer die Vorrede zum »Reigen« nicht bringen will,
finde ich empörend. Was für einen Grund gibt der Feigling an?

Ich sage Dir Lebwohl und auf Wiedersehen und umarme Dich.

Deine C.K.