Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 14. November 1930

Wien, 14.11.1930.

An A.S., Berlin.

Liebster,

erst heute Früh ist Dein Brief vom 12. gekommen und gestern
Mittag die Karte, auf der Du allerdings nicht zu erkennen bist. Ich
vermute Dich in dem Mann mit dem Bart, der bei der Musik lehnt. Die Da¬
men ringsum sehen recht mässig aus und sprechen nicht sehr für den
Five o'clock-tea im Esplanade. Wann ist denn das aufgenommen worden?

Ich bin heute zum ersten Mal wieder ausgegangen und auch
jetzt ½5 von einem kleinen Spaziergang heimgekommen. Das Wetter ist
heute so ungewöhnlich schön, Himmel und Luft so rein und friedlich,
wie noch nie in diesem Herbst. Ich wünschte, wir hätten noch
manchen so schönen Tag, wenn Du zurück bist. Ich bin lange im
Hartäckerpark gestanden. Vormittag war ich wegen Kleid, Pelz etc. und
habe allerhand Leichtsinniges getan. – Aber ich habe solche Lust mich
zu verändern und zu verschönern.

Jetzt bin ich einigermassen müde, denn ich war all die Tage
doch recht elend und vielleicht ohne es zu berücksichtigen schon vor¬
her.

Ich habe trotzdem viel gearbeitet und der erste Teil der
Novelle ist fertig und ich hoffe stilistisch recht gelungen. Heute will
ich am zweiten Teil weiterarbeiten, der wohl der schwierigere ist. Mit
Direktor Preminger sprach ich telefonisch, er erklärte, er könne keine
schriftlichen Referenzen geben, sie hätten bestimmte Formulare für An¬
nahme und Ablehnung, aber wenn ich das Stück an Horch oder an Harald
schicken sollte und einen der beiden an ihn weisen wollte, so würde er
ihnen dasselbe sagen, was er mir privat gesagt hat, nämlich, dass er das
Stück ausgezeichnet findet. Wenn Du es nun für nützlich halten soll¬
test, könntest Du diese Stelle meines Briefes Horch oder Harald zeigen
oder vorlesen, auch sagen, dass Preminger mir selbst den Rat gab es nach
Berlin zu senden, da in der Josefstadt keine Besetzungsmöglichkeiten