Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 3. Januar 1930

Wien, 3.1.1930.

An A.S.,Berlin.

Liebster,

heute kam Dein Brief Nr. 2 an und es ist 6 Uhr Abend
geworden, ehe ich Zeit finde ihn zu beantworten und so geht er wohl
erst morgen fort. Nun will auch ich alles Wissenswerte berichten.

1. Gestern Abend war ich nach einem telefonischen Ge¬
spräch bei Dr. Benedikt, der von bestrickender Liebenswürdigkeit war.
Er fand den Artikel ausgezeichnet, sagte, er würde ihn sehr gerne
bringen, aber es soll eine Aktion der Kriker für die Generalproben
stattfinden, und er weiss nicht, ob er vor derselben sich in öffent¬
lichen Widerspruch setzen kann. Aber er will noch mit Sternberg da¬
rüber sprechen. Er gab mir aber die Sache doch nicht zurück und wird
mir bis morgen Mittag Bescheid sagen, wenn nicht, fühle ich mich aus¬
ser Obligo und rufe F. S. an.

Benedikt macht mir die unglaublichsten Elogen (über
den Roman scheint er viel Gutes zu hören) und sagt mir immer wie¬
der ich soll doch Feuilletonsfür ihn schreiben. Dann erzähl¬
te er mir, dass der junge Korngold ein modern-galantes Libretto sucht,
und wenn ich glaube, dass ich so etwas machen könnte, würde er mich
mit ihm zusammenbringen. Ich verhielt mich eher ablehnend.

2. Zuhause fand ich einen sehr lieben Brief von »Alma« vor -
sie möchte mich so gerne sehen und sprechen. Seit sie von Bertha Z.
gehört hat, dass ich ihr Wesen missverstehe, hat sie das Bedürfnis etc.
etc. Sie war wirklich krank und steht erst für Stunden auf. Ob ich
nicht zu ihr kommen möchte? Sympathieerklärung. Sie liest die »Con¬
stanze« und findet sie sehr, sehr gut. Bedauert auch, dass sie ihren
lieben verehrten Arthur S. nur flüchtig bei Trebitsch gesprochen hat.
Umarmung zum Schluss. Ich rief heute Vormittag dort an. Werfel am
Telefon sagte mir, dass Alma gestern für eine Stunde zum ersten Mal