Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 21.–26. September 1929


einen benützt. Jause bei Gerstner, dann Kino »Die wunderbare Lüge der
Nina Petrowna«, brillanter Film.

22.9. Vormittag Besuch von Martha Petter mit Bräutigam, auch Otto und
Wolfi einen Augenblick. Martha ist mir lieber als der Bräutigam. Mittag
bei Anna zu Tisch. Maria von ihrem Urlaub zurück, Felix und später Rudi.
Mit Anna und Maria in einem peinlichen Sexualfilm. Jetzt sehr einsam
zu Hause. Meine Hausfrau seit 2 Tagen verreist, das Mädchen Sonntagsaus¬
gang. Es ist etwas unheimlich.

Und morgen kommt A.! Gott gebe uns gute frohe Zeiten und einen schönen
glücklichen Winter. Ich will A. morgen mit frohem Herzen begrüssen.

23.9. Was nützen alle Vorsätze? Es ist doch nicht, wie es war und wird nie
mehr so werden. Er war schon Sonntag in Franzensbad, hat im selben Hotel
mit O. gewohnt, findet sie besser aussehend als vor der Operation, auch
seelisch ruhiger und ausgeglichener »vernünftiger«. Eingedämmte Verstim¬
mung von beiden Seiten.

24.9. Im Kino. Viel herzliche Freundlichkeit aber nicht mehr. Langwei¬
liger Tonfilm »Weisse Schatten«. Nachtmahl »Linde«.

25.9. Kino Tonfilm »Der singende Narr«. In guter Stimmung, herzlich, aber
von jenen Wochen meilenweit entfernt. Vielleicht meine Schuld – aber ich
kann nicht anders.

26.9. Abend bei A. Versuchte Au[s]sprache, stürmische Unarmung und wieder Ver¬
stimmung. Es ist ein Riss in allem, der vielleicht von meinem Wesen aus¬
geht, aber ich kann nicht anders. Ich fühle genau, dass er zu der O. wie¬
der besser steht, wenn er auch immer die völlige Harmlosigkeit betont.
Warum hat er nicht so viel Takt nicht in einem Hotel mit ihr zu wohnen,
sich an ihr Bett zu setzen? Muss das sein, wenn man nur das Bedürfnis
hat jemanden fallweise zu sprechen? Bin ich nichtso viel Rücksicht