Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 25. März 1929

An A.S., Berlin.

Wien, 25.3.1929.

Liebster,

Du hast jedesfalls zwei Tage nicht geschrieben, da ich
gestern und heute ohne Brief bin. Durch den Sonntagsanruf bin ich
aber einigermassen über den Fortgang der Verhandlungen beruhigt und
hoffe, sie haben seither noch günstige Fortschritte gemacht.

Ich war heute Vormittag nur kurze Zeit in der Sonne des
Türkenschanzparkes. Zu Tisch waren Cary und Magda hier und erst am
späten Nachmittag fuhr ich in die Stadt und bummelte in der Dämmerung
durch die Strassen. Alles kam mir sonderbar vor und mein Dasein und
ich ganz fremd und unwirklich.–Verzeih, wenn es wieder nur wenige
Zeilen werden, aber ich kann jetzt nicht über mich selbst reden. Du
bist so fern, in einer so ganz anderen Atmosphäre und ich müsste
Bände schreiben um mich verständlich zu machen. Und auch das würde
nichts nützen. Es ist ja möglich, dass mir, wie Du sagst, manches in ei¬
nem falschen Licht erscheint, aber man kann doch schliesslich über sei¬
ne Vorstellungen und Empfindungen nicht hinaus und schon gar nicht über
seine Natur. Es wäre mir sicher wohler, wenn ich anders wär oder sein
könnte. Mit dem Arbeiten geht es leider ebenso wenig wie mit dem
Schlafen. Aber dafür ist leider mein so gutes Mittel wie das Phanodorm
erfunden worden, das ich jetzt schlucken werde.
26.3.

Auch heute, den 3. Tag kein Brief! Ich wünschte sehr die-¬
ser namenlosen Traurigkeit Herr werden zu können. Hoffentlich ist
dort alles gut erledigt. Kehre gesund und wohlbehalten heim.

Es umarmt Dich mit den besten Wünschen

Deine C.K.