Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 16. März 1929

Berlin, 16.3.1929. Hotel Esplanade.

Mein Liebes, gestern kam noch Dein Brief, gerade als ich mein Zimmer
verliess; danke tausendmal. Ich war im Bureau bei Fischer, der sich
in der Angelegenheit »Der Weg ins Freie« so engherzig und verschlos¬
sen wie nur möglich zeigte.-

Ich speiste zu Mittag bei O. mit Paul Marx und Suzanne Schülein (die
bei O. wohnt; höchst begabte Malerin, hat zuletzt Albert
aquarelirt, Französin, alte Bekannte[)]. – Um 4 nach kurzem Spaziergang zu¬
haus, vor ½6 Heini.–Sehr ausführliches Gespräch mit ihm – die klägli¬
chen Theaterverhältnisse; – er gehört in Berlin zu den 10% der bestbe¬
zahlten Schauspieler! -

Mit Elizabeth Bergner bei Horcher soupiert, da sie um 11 Uhr Nacht
Probe für eine Steinrückfeier hatte, wurde aus dem Nachtmahl in ihrem
Haus wieder nichts. Wir beschlossen einen Brief an Strnad, den ich eben
schrieb, mit einem technischen Vorschlag, den der Theatermeister Dworski
für durchführbar hält; – geht Strnad darauf nicht ein – so werden wir
wohl auf anderer Seite verhandeln müssen; denn von der Sache selbst
will Elizabeth B. weniger abgehen als je. Sie erzählte unglaub¬
liches von den Intrigen und Abredeversuchen, die am Werke sind; die
Feigheit und Albernheit der Directoren und Journalisten.–Heute Abend
ist sie mit Direktor Klein zusammen, auf den wir[,] sie wie ich[,] die besten
Hoffnungen setzen. Ich glaube, mein Gespräch mit ihm war das bisher
positivate Ergebnis meiner Berliner Reise – dessen Folgen sich erst
allmählig zeigen werden.-

Aus Wien habe ich, von Deinen Briefen abgesehen, noch keinerlei Nach¬
richt.–Mit meinem Besuch bei Wiegler warte ich noch bis ich erfahren
habe, ob er sich indes gemeldet hat. Heute ist ein schöner kühler
Sonnentag; – Vormittag kommt Bela Balacz in einer Filmsache zu mir; dann
werde ich mit Heini, der Probe hat, in der Staats¬
theaternähe speisen. Abends wahrscheinlich Michaelis, mit Kino vorher.-