15.3.1929. Berlin.
Liebstes, mein Bericht schloss vor Mittag meines Ankunftstages vorges¬
tern. Mittagessen bei O., Heini kam von der Probe (Aretino von Rehfisch)-
Hotel noch nicht im richtigen Zimmer, Lectüre u. s. w. – Um 7 im Film »Fräu¬
lein Else« mit Dora, Gatten und Sohn (Tommy). Der Anfang nicht übel; das
letzte Viertel dumm und schlecht. Ich begreife jetzt warum man mir das
Buch nicht schickte. Der Einfall, gegen den ich mich bei einem er¬
sten Gespräch (Czinner Mayer) gewendet hatte; dass Else Veronal nimmt,
ehe sie unbekleidet unter dem Mantel in die Halle geht, blieb bestehen. -
Czinner war zu überheblich und talentlos, um davon abzugehen; – und da wur¬
de nicht nur ein kompleter Unsinn daraus, sondern viele Möglichkeiten
für Elisabeth gingen verloren. Die Episode Vater nimmt viel zu viel
Raum ein; – und man weiss weder was aus ihm noch aus Dorsday am Ende wird.
Bassernann sehr gut, aber sehr Theater: – unvergleichlich Steinrück als
Dorsday (besser als von mir) – Die Episode Paul-Sissy ist überhaupt nicht
vorhanden. Die Wohnung des Dr. Thalhof (so heisst nämlich im Film Elses
Vater) lächerlicher Kinoluxus. St. Moritzer Landschaft und winterlicher
Sport ist nicht umzubringen.–Die Leistung von Elisabeth wundervoll
- nur ist es (durch den Filmtext) – eine ganz andere Else, als ich gedich¬
tet hatte. – All dies sagte ich Elisabeth, mit der ich nach dem Film im
Esplanadehotel zusammen war; – sie spürte sehr, dass ich Recht hatte-
und ich begriff nun auch, dass dieser Film sie von der Gestalt der El¬
se keineswegs erlöst haben konnte. Sie gestand mir, dass sie noch nie
so erregt gewesen sei, als vor dieser Filmpremière, der sie auch nicht
beigewohnt hatte: sie war während der letzten Tage in Dresden gewesen.
Ueberdies entschlossen, -falls der Film und sie keinen Erfolg gehabt
hätten – die Bühnen-Else nicht zu machen. Ich sagte ihr, wie ich ihr
Schwanken in Wien gespürt hätte; sprach wieder von ihrer Unverlässlich¬
keit – sie hatte die dringend gewünschten Masse bisher keinem Direktor
gezeigt – und – trotz ihres Versprechens – nun auch nicht ins Hotel