Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 15. März 1929


5.3.1929. Berlin.
Liebstes, mein Bericht schloss vor Mittag meines Ankunftstages vorges¬
tern. Mittagessen bei O., Heini kam von der Probe (Aretino von Rehfisch)-
Hotel noch nicht im richtigen Zimmer, Lectüre u. s. w. - Um 7 im Film »Fräu¬
lein Else« mit Dora, Gatten und Sohn (Tommy). Der Anfang nicht übel; das
letzte Viertel dumm und schlecht. Ich begreife jetzt warum man mir das
Buch nicht schickte. Der Einfall, gegen den ich mich bei einem er¬
sten Gespräch (Czinner Mayer) gewendet hatte; dass Else Veronal nimmt,
ehe sie unbekleidet unter dem Mantel in die Halle geht, blieb bestehen. -
Czinner war zu überheblich und talentlos, um davon abzugehen; - und da wur¬
de nicht nur ein kompleter Unsinn daraus, sondern viele Möglichkeiten
für Elisabeth gingen verloren. Die Episode Vater nimmt viel zu viel
Raum ein; - und man weiss weder was aus ihm noch aus Dorsday am Ende wird.
Bassernann sehr gut, aber sehr Theater: - unvergleichlich Steinrück als
Dorsday (besser als von mir) - Die Episode Paul-Sissy ist überhaupt nicht
vorhanden. Die Wohnung des Dr. Thalhof (so heisst nämlich im Film Elses
Vater) lächerlicher Kinoluxus. St. Moritzer Landschaft und winterlicher
Sport ist nicht umzubringen.- Die Leistung von Elisabeth wundervoll
- nur ist es (durch den Filmtext) - eine ganz andere Else, als ich gedich¬
tet hatte. - All dies sagte ich Elisabeth, mit der ich nach dem Film im
Esplanadehotel zusammen war; - sie spürte sehr, dass ich Recht hatte-
und ich begriff nun auch, dass dieser Film sie von der Gestalt der El¬
se keineswegs erlöst haben konnte. Sie gestand mir, dass sie noch nie
so erregt gewesen sei, als vor dieser Filmpremière, der sie auch nicht
beigewohnt hatte: sie war während der letzten Tage in Dresden gewesen.
Ueberdies entschlossen, -falls der Film und sie keinen Erfolg gehabt
hätten - die Bühnen-Else nicht zu machen. Ich sagte ihr, wie ich ihr
Schwanken in Wien gespürt hätte; sprach wieder von ihrer Unverlässlich¬
keit - sie hatte die dringend gewünschten Masse bisher keinem Direktor
gezeigt - und - trotz ihres Versprechens - nun auch nicht ins Hotel