Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 13. Oktober 1928


An A.S. Berlin.

Wien, 13.10.1928.

Mein Liebes,

wir haben eben telefonisch geprochen und ich schreibe Dir
rasch, ehe ich das Bett verlasse und die tägliche Hetzerei angeht.

Ich bin Dir ja so dankbar, dass Du mir zu dieser kleinen
Wohnung verhelfen willst, aber es ist alles so schwer dadurch, dass
Du gerade jetzt nicht da bist. Wenn Du mit mir hingehen würdest und
sagen könntest: Ja, das ist gut, das kann ich mir als einen sympathi¬
schen gemütlichen Raumen vorstellen, das freut mich, – um wieviel leich¬
ter wäre mir ums Herz. Und dabei der Gedanke, dass Du dort auch Sorgen
und Aerger hast!

Es ist eine sehr böse Zeit für mich, denn wenn ich auch
genau weiss, dass die Wohnung hier schon lange eine Belastung meiner
Existenz in mancher Beziehung ist, so bedeutet sie mir doch mit all
ihren tausend Erinnerungen so unendlich viel, dass ich es empfinde, als
ob ich meine eigentliche Heimat für immer verlassen müsste. Mit der
Peregringasse versinkt etwas für mich, in das irgendwie die Wurzeln
meines Wesens und meines Daseins verstrickt sind und es tut sehr
weh. Aber man muss auch damit fertig werden können.

Heute Vormittag fahre ich in den Cottage, und mit Frieda
in die Wohnung, der ich sie zeigen will, hoffe mit der Hausbesitzerin
einig zu werden. Ich finde, sie kommt sehr hoch. Aber Tatsache ist,
dass mir weder vom Hilfsverein, wo ich 20 S. eingezahlt habe, noch durch
den Agenten Silberberg oder die Singer eine einzige Wohnung eingetra-
gen wurde. Wie gut wäre es endlich zur Ruhe und zu einer richtigen
Arbeit zu kommen. Dabei ist mir gerade in den letzten Tagen eine
Menge zur »Corday« eingefallen. Oft wenn ich mit der Elektrischen
fuhr oder halbtot am Divan lag. Das Vorspiel ist mir jetzt so ziemlich
klar. Ich müsst nur Zeit haben es niederzuschreiben und die physische
Kraft dazu. Ich liege fast jeden Abend um 8 Uhr im Bett. Gestern Vor¬