Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 2.–20. Mai 1928

2.5. Regen, Kälte. Anna ist bereits in ihrer neuen schönen Wohnung.

3.5. Er ist hier. Sehr herzliche Begrüssung von seiner Seite am Telefon.
Soll am Abend zu ihm.

4.5. Es war ein recht gutes Zusammensein, aber in mir noch alles sehr
stumm. Heute Abend Kino und Silberner Brunnen. Gute Gespräche.

6.5. Sehr schöner Abend bei ihm. A. zärtlicher denn je – - -

8.5. Oper. Manon. (Opera comique Gastspiel). Mässige Aufführung, aber
sehr netter, gemütlicher Abend. Ich arbeite gut und viel.
Cary und Magdi jetzt zweimal in der Woche bei mir zu Tisch. Montag und
Dienstag, Harry Samstag und Sonntag. Gutes Zusammensein sogar mit Harry.
Arbeite viel, der Roman gedeiht.

13.5. Gestern Abend wieder bei ihm. Erst lange Gespräche in der Dämmerung.
Ich erzähle ihm den Schluss meines Romanes. Er sagt: »Dein Gesicht ist
ganz verändert, wenn du so viel arbeitest. Du siehst ganz »entrückt« aus.«
Wir sprachen auch viel von seinem künftigen Roman (Theaterroman) und vom
»Zug der Schatten«, an dem er jetzt schreibt.

15.5. Wundervoller, erster wirklicher Frühlingstag. Vormittag bei ihm,
dann Autofanrt nach Mödling über Purkersdorf, Heiligenkreuz, Gaden. Mittag¬
mahl bei Hayek in der Brühl. Fröhlichste Stimmung. Am Abend Kino und
Nachtmahl im Prater (Prohaska). Dieser Tag wie ein kostbares Geschenk.
Gott schütze ihn und erhalte ihn mir so wie er heute war.

16.5. Robert P. gestorben. Ich bei Hermine.

17.5. Unwetter. Wir im Kino und nachtmahlen. Ich trage seit Tagen wieder
meinen Winterpelz. Wolkenbruch um Mitternacht.

19.5. Cary, Magdi, Harry zu Tisch. Viel gelacht. Nachmittag Prandau bei
mir. Unbegreiflich, dass er je im meinem Leben eine Rolle gespielt hat.
Am Abend mit A. Kino und Silberner Brunnen.

20.5. Sonntag. Abend bei A. Besonders gutes, vergnügtes Zusammensein.
Wetter mild. Zu Tisch Harry, später Fredi.