Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 30. April 1928

30.4.1928

ein paar Stunden vor Triest.

Liebstes, gestern in Raguza bekam ich Deinen zweiten Brief; so hab
ich im ganzen drei Karten und zwei Briefe erhalten und ich will
nur hoffen, dass meine Karten und Briefe pünktlicher angekommen sind-
und vollzähliger. Dein Brief nach Athen ist aller Wahrscheinlichkeit
verloren.

Seit heute Früh regnet es, so dass man – das erste Mal während der
ganzen Reise – nicht einmal auf dem Verdeck herumgehen kann. Nach¬
mittag um 5 sollen wir in Triest ankommen; bis man vom Schiff weg¬
kommt dauert es 1-2 Stunden; ich schicke mein grosses Gepäck direkt
nach Wien, fahre mit den Kindern hoffentlich noch Abend nach Venedig,
wo wir gegen Mitternacht ankommen; Donnerstag nach Wien -falls das
Wetter sich nicht bessert natürlich per Bahn. Das Briefpaket,
das mir Kolap nachgesandt hat, enthielt geschäftlich ziemlich gleich¬
gültiges, mässig ärgerliche aussländische Correspondenz.

Ich danke dir dass Du mir das Feuilleton von R. A. nachgeschickt
hast, ich kann es nicht so besonders unliebenswürdig finden, der Roman
gefällt ihm offenbar nicht besonders – und bei dieser Gelggenheit
kommt allerlei Ressentiment heraus und viel gescheidtes ist ihm eben
nicht eingefallen, aber es gibt keinerlei Grund sich zu ärgern. Ich
aber dergleichen (und in viel weniger anständiger Form) schon oft
genug erlebt. Den Zug der Schatten hab ich mit Sorgfalt gelesen;
es ist noch mancherlei daran zu machen, aber bei einigem Elan müsste
das Stück im Sommer fertig sein. Was die Aufführung anbelangt -
so gibt es für mich keine Ueberraschung mehr. (Von Herterich war
unter der nachgeschickten Correspondenz nichts. Man weiss wirklich
nicht mehr, wie man sich dieser Flegelei gegenüber verhalten soll.) -
Gesundheitlich fühl ich mich sehr gut und wünschen von ganzem Her¬
zen auch Dich körperlich wohl und in besserer Stimmung zu finden, als
ich Dich verlassen habe – und als die spärlichen Nachrichten verraten,