Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 26. April 1928

Wien, 26.4.1928.

An A.S. Mittelmeer.

Liebster,

gestern kam Dein lieber ausführlicher Bericht aus Athen. Ich
begreife nicht, dass Du nurmeine Ansichtskarten bekamst und nicht mei¬
nen eingeschriebenen Brief. In Constantinopel müssen Dich zwei Briefe
und eine Karte erwartet haben. Nach Ragusa schrieb ich auch einen Brief
mit dem eingelegten Feuilleton von Raoul A., über das hier überall Er¬
staunen und Unwille herrscht. Auch die Hofrätin Z., mit der ich eben
sprach, und die noch nicht gesund ist, war empört. Noch dazu ist der
Roman noch gar nicht erschienen und ich verstehe nicht die Eile die
er hatte darüber zu schreiben. Er soll gestern nach Paris gefahren sein.

Hier sind so schreckliche Erdbebengerüchte in der Zeitung,
dass ich gestern die Cosulich-Linie anrief, die mir nach telegraphischer
Erkundigung mitteilte, dass Euer Schiff programmgemäss Constantinopel
verlassen hat. Mimi und Viki sitzen fest in Athen und können nicht fort.
Heute bin ich zum Tee bei Königswarter, am Abend zum ersten Mal bei
Breisach. Diese Zeilen treffen Dich wohl in Triest und am Tag nachher
bist Du ja voraussichtlich hier. Ich hoffe und wünsche, dass Du sehr
erholt und von Deiner Reise durchaus befriedigt heimkehrst. Ich muss
mich jetzt rasch umkleiden, da Gisela Berger mich holt. Sie ist über
R. A. auch empört. Für mich ist der Mann erledigt.

Innig umarmt Dich Deine

C.K.