Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 24. April 1928


der Galatabrücke aus fuhren wir in ein grosses türkisch-russisches
Restaurant (mit dem Ingenieur, von dem ich mich auch politisch viel¬
fach informieren liess[)]; gut und fast billig; – natürlich gab es auch
eine treffliche Jazzkapelle, sowie Tanz; – auch Produktionen russi¬
scher Tänzer und Tänzerinnen; -offenbar Vertriebene, geflohene, ausge¬
wanderte – die sich hier auf diese Weise fortbringen. – Um 11 waren wir
auf dem Schiff, »zuhause« hätt ich fast gesagt. Aber man hat fast
das Gefühl.–Hier hatte ich (vorgestern) auch eine Karte von Dir, einen
Brief nach Athen hab ich nie erhalten – vie[l]leicht kommt er noch nach,
wie es mir mit einer Karte von Heini passierte, die von Corfu nach
Athen ging. Allerdings lag gestern in meiner Cajüte ein Brief – ei¬
nes Passagiers mit etwas ähnlichem Namen, also ideal verlässlich ist
der Postbetrieb nicht. Vielleicht hab ich heut vor der Anfahrt noch
eine Nachricht von Dir und am Ende gar noch den Athenienser Brief; -
sonst muss ich auf Gravosa, also noch bis Samstag warten! Jetzt kommen
ruhigere Tage, fast ununterbrochene Seefahrt, – und wir freuen uns al¬
le ein wenig darauf. Dann will ich mir auch wenigenstens eine meiner
Arbeiten vornehmen. Auf diesen Brief, der wohl frühestens Samstag in
Deinen Händen sein wird, kannst Du mir natürlich nur nach (möglichst
express) Venedig zu Lili antworten. Ich setze noch einmal ihre Adres¬
se her: San Polo 2545.

Es geht mir gesundheitlich gut; – sonderbar dass ich das Rauchen ein¬
schränken musste – wie es mir im Jahre 1904 in Italien gleichfalls
erging. Das Schiff ist alt und brav; das Essen nicht Übel; – nur die
Diners unerträglich. Uebrigens soll nächstens eine Reform einsetzen
(von der wir natürlich nichts mehr haben werden).

Ich kann nur hoffen und wünschen, dass es Dir wohl gehe und dass Du
ein wenig mit dem Roman weiter kommst; – und dass vielleicht einer
von Deinen praktischen Versuchen Erfolg gehabt hat; – von all dem wer¬