An A.S. nach Berlin.
Wien, 5.12.1927.
Liebster,
Du wirst diesen Brief vielleicht verspätet erhalten, da ich
am Vormittag nicht dazu kam Dir zu schreiben und ihn jetzt mit Emma
zur Post schicke.
Ich freue mich sehr, dass Dir mein Preis Vergnügen macht
und Du mir so nett darüber schreibst. Ueber die Bedingungen aber,
unter denen Du mich noch lieber hast, muss ich lächeln. Gewiss
verstehe ich, dass Du für das Zusammensein mit Heini ein paar Tage
länger in Berlin bleibst, ich gönne Dir dieses Vergnügen von ganzem
Herzen und setze somit Deinen Gefühlen zu mir keinerlei Schranken.
Was ich nicht verstehe und nie verstehen werde, das weisst Du sehr
wohl.–Aber tue nur, was Du nicht lassen kannst und was Dir Vergnügen
macht. Es ist vielleicht Sitte in Berliner Kreisen geschiedene
Leute zusammen einzuladen. Frau S. F. etc. müssen ihre Sensatiönchen
haben. Ich erinnere mich noch, mit welcher Wollust sie in Lugano die
Ehegeschichten des Herrn Flake zum Besten gab.
Ich hatte heute ein längeres Gespräch mit Paul W. Wir
gratulierten uns gegenseitig an. Auf seine Kritik der Géraldy-Gedich¬
te bildet er sich viel ein, sagt, er habe an manchen Stellen ein Auge
zugedrückt. Aber – er hat die Originale gar nicht gelesen!
Alle möglichen und unmöglichen Leute haben mich in den
letzten Tagen angerufen, um mir zu gratulieren, ich war schon ganz müde.
Gestern Vormittag war Anna bei mir, gestern Mittag Henry,
dann arbeitete ich und um ½7 holten mich Hermine und Paula mit dem
Auto, um 9 Uhr war ich zuhause und mit Frank Harris im Bett. Heute
Vormittag Stadt, Mittag Karl, da Magda für ein paar Tage am Semmering
ist. Für Nachmittag und Abend habe ich alle Verlockungen abgelehnt,
ich brauche Ruhe und Arbeit.
Paul W. äusserte sich sehr begeistert über Deine Aphoris¬