Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 7. September 1927

Venedig, Lido Corno d'Oro,

7.9.1927. nach Wien

Mein Liebes, der Portier aus Gardone schickt die an Dich gerichteten
Karten (obzwar ich Deine Adresse ausdrücklich angegeben[)] – an mich -
wahrscheinlich die an mich adressierten an Dich; gestern habe ich
Dir eine direkt nach Wien nachgesandt; diese hier lege ich lieber
in den Brief ein.

Also ich bin jedesfalls froh am Lido, und nicht in Venedig zu wohnen;
das Hotel sehr angenehm, keineswegs von Rang, das Essen etwa zehnmal
besser als im Grand Hotel Gardone; mein Zimmer bequem, nach Norden
gelegen, die Gesellschaftsräume luftig und weit; – ein grosser Garten; -
Ruhe, kaum ein Viertel des Hotels besetzt; – der Strand etwa zehn Minuten
weit – Ich habe gestern schon in der entferntesten Badeanstalt,
Palazzo – um 1 Uhr buchstäblich als Einziger gebadet. -

Pension 45 Lire; – wenn ich nicht zuhause diniere gehen 5 Lire ab;
aber so komm ich weitaus am besten draus. Auch Frau Dr. Menczel
und Frl. Pollak und dazu eben auch ihr Bruder, sowie Frau Holl.–sind
gleichfalls aus Venedig hieher übersiedelt; denn drüben lässt sich
jetzt – besonders in den mindern Hotel kaum existieren. Ich war
gestern immerhin zweimal drüben. Vormittag hatte ich Rendezvous
mit Frau Dr.M. und Frl. P.; – und am Abend war ich mit Frau Dr. M. bei
Lili und Arnoldo geladen. Es sieht übrigens reizend bei ihnen aus;
nur Julie scheint sich unter den neuen Verhältnissen nicht zu be¬
währen, und verträgt weder Moskitos noch Hitze. Sonst lässt sich
noch nichts berichten; – Briefe sind keine aus Wien nachgeschickt
worden, – zum arbeiten bin ich vorderhand auch noch nicht gekommen
und mein Befinden ist nicht auf der Höhe.

Von Dir wünscht ich zu hören, dass Du Dich in Wien recht erholst -
und was ich sonst noch wünschte kann ich vorläufig in einem
Brief nicht mit klareren und empfundeneren Worten ausdrücken, als
ich sie mündlich immer und immer wiederholt habe. Glaube mir, dass