Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 22.–23. August 1927

Tagebuchaufzeichnungen begonnen am

22ten 8. 1927 auf der Fahrt von Schloss Neudorf na[c]h Botzen

Noch nie bin ich mit so wenig guten Gefühlen A. entgegengefahren. Ich
fürchte mich fast vor diesem Zusammentreffen.

Dieser qualvolle Winter die Aufregungen in den Letzten Tagen in Wien und jetzt
wieder dieser rücksichtslose Zwang, der auf mich ausgeübt wird.

Diese 12 Tage in Schloss Neudorf waren weiss Gott nicht angenehm, trotz der
grossen Liebenswürdigkeit der Hausleute. Langweile Krankenhausstimmung.
Ich schreibe das ich Freitag komme (der Tag war für unser Zusammentreffen
fixiert) Er telegrafiert,– Montag, und dabei bleibt es, ob es mir nun passt
oder nicht. Ich habe diese ganze weite unständliche Reise von Neudorf
nach Bolzano nicht wollen. – ich muss. Es bliebe mir nur übrig nach Wien zurückzu¬
fahren. Und das gäbe Katastrophen. Und wenn er hundertmal betont, dass er
nur mich liebt, dass die O. ihm nichts bedeutet, dass er froh ist sie los zu
sein, irgendwo braucht er doch ihre intel[l]ektuellen und lächerlichen Phrasen und ihr ko¬
mödiantisches Getue. Hinter seinem Vorgehen steht nur die O.

Meine Gefühle sind nichtmehr was sie waren, es ist zu viel Erbitterung in mir.
8 Uhr abend (seit 7 Uhr früh unterwegs) Die Grenze passiert. Ermüdende Fahrt,
Stimmung sehr down.

Eben hat mich eine Dame im Gang angesprochen, ob ich die »berü[h]mte« Schriftst¬
stellerin C. K. P. sei. Diese s. g. Berühmtheit wird rasch verblassen, wenn es
mit meiner Arbeitsfähigkeit so weiter geht.–In 2½ St. soll ich A. wiede[r]sehen,
- ich fürchte mich – das kann nicht gut ausfallen.

Mit Verspätung sehr ermattet um dreiviertel Elf angekommen. A. an der Bahn.
Er sehr beflissen, ich unfähig ein freundliches Wort zu sagen, trotz Blumen und
Früchten in meinem Zimmer.–Er will mich bewegen in seinem Badezimmer zu baden
- ich lehne ab- In der Stimmung, nein. Wie schön war das im Vorjahr---
23ten Vor. Mittag Bunmel durch die Stadt. Ich sehe trotz schlechten Schlaf sehr
gut aus. A. versucht Zürtlichkeiten, ich bleibe zurückhaltend. Aufforderung
mir doch sein Zimmer anzusehen. Schliesslich heftige Auseinandersetzungs
Ich soll froh sein, dass zwischen der O. und ihm jetzt eine gute harmlose