Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 18. August 1927

Schloss Neudorf

An A.S., Campiglio.

Donnerstag 18.8.1927.

Mein Liebes,

heute kam Dein zweiter Brief, der vom 16. und ich lasse
meinen gestrigen in recht deprimierter Stimmung geschriebenen Zeilen
rasch andere folgen. Ich habe endlich in Erfahrung gebracht, dass doch
ein Zug von Wildon um ¾ 8 nach Graz geht, was immerhin ein Aufstehen
vor 6 Uhr bedeutet. Wenn das Auto nicht zu haben sein sollte, so werde
ich diesen Zug benützen, um keinesfalls durch eine Stellungnahme, die
als Eigensinn aufgefasst werden könnte, Missstimmungen oder Konflikte
zu erzeugen. Die Wahrheit ist, dass ich mich hier durch die unleidlich
hygienischen Verhältnisse physisch wenig wohl fühle. Wir wollen heute
Nachmittag per Wagen nach Wildon fahren, um dort Genaueres über die
Verbindung Graz-Bozen zu hören. Sollte eine direkte Schnellzugsverbin¬
dung existieren, so dass tatsächlich der Sonntagsverkehr keine Rolle
spielt, so reise ich Sonntag und würde Dir gleich in diesem Sinn tele¬
graphieren. Mein gestern in St. Georgen aufgegebener Brief und Telegramm
wären dadurch erledigt und ich würde Deine telegraphische Antwort ab¬
warten, da ich erst dann das Auto fest bestellen kann. Telegraphiere
ichnicht mehr, so bleibt es bei Montag Abend.

Ich freue mich, dass Du Dich trotz der Hotelkalamitäten
in Madonna wohl zu fühlen scheinst. Es ist mir unbegreiflich, dass
Heini, der Dich doch kennt, Dich gerade dorthin berufen hat und ich
hoffe nur, dass Deine Magenverstimmung wieder übertaucht ist.

Wenig freut es mich, dass Du über meine Empfindungen und
Auffassung der Situation mit O. gesprochen hast. Wie wenig kann sie
wissen und verstehen, was in mir vorgeht, da Du es so wenig vermagst
und wozu ist es gut, dass sie um Verstimmungen zwischen uns weiss. Aber
diese Dinge schriftlich zu erörtern hat schon gar keinen Sinn. Vielleicht
sprechen wir darüber in einer guten ruhigen Stunde.

Hier vergehen die Tage in einer stillen Gleichmässigkeit.