Venedig, 25.4.1927, gegen Abend.
Liebste, vom Sonntag ist also zu berichten, dass ich Vormittag in
der Casa Mahler war, wohin ich mit Hilfe der Karte, meines Orientierungs-
vermögens und einiger Fragen zu Fuss fand. Das Haus, besonders der in
Flieder blühende Garten, mauerumschlossen an einem der kleinen Kanäle
sehr anmutig. Politisches. Der Werfelsche Aufruf, der von Felix Salten
sozialdemokratisch verschärft wurde, (er kann alles) – von dem Werfel
selbst hoffte, dass er nicht erscheinen würde – und der nun plötzlich
(hast Du ihn gelesen? ich nicht) auch Almas Unterschrift widerrecht-
lich trug (sie hat dagegen protestiert) – Auch die andern Damen des
Hauses waren anwesend, – Almas Mutter, Frau Moll; ihre Stiefschwester
Maria und ihre Tochter Anny. Alma begleitete mich in die Stadt zu-
rück.-Mittagessen mit Lili und Arnoldo im Giorgone. Ich befand mich
mässig und nährte mich von Spagetti.-Nachmittag nicht sehr wohl, las
ich F. S. Roman »Martin Overbeck« – er kann doch nicht alles: das Buch
ist geradezu stupid.–Spaziergang ins blaue, allein, es bleibt immer
köstlich in Venedig auf Entdeckungen auszugehen; an jeder Ecke
gibt es eine neue (und ich bin "phantastisch genug", um es zu genies-
sen. (Nachtmahl im Bonvechiati, dann mit den Kindern Markus-
platz »Florian«, und mich an den deutschen Touristen mit Jägerhüten
oder Capitänskappen erfreut.-
Heute Frün Reisebureau; Schlafwagen erst für Samstag bekommen. Auf
Wohnungssuche mit Lili und Arnoldo – dann mit Lili allein; wir
fanden (nach einer Annonce) eine sehr hübsche Wohnung in einem völlig
renovierten Haus, – drei Häuser weit von Alma, besichtigten sie nochmals
nach dem Mittagmahl mit Arnoldo; besprachen die Sache mit dem sympath-
thischen Hausherrn und seiner Frau, einer Engländerin. Die Lage ist
ausgezeichnet, alles licht, blitzblank und geräumig; – bei einigem Ent-
gegenkommen von der anderen Seite wird sich die Sache vielleicht ma-
chen lassen. Immerhin sind Lili und Arnoldo eben weiter auf der Suche;
ich will morgen in die nähere Wahl eintreten. Auch möchte ich, dass Alma