Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 1. Januar 1927

Sonntag, 1.1.1927. Berlin.

Hotel Esplanade.

Mein Liebes, heute Früh kam Dein verstimmter Brief, den ich gleich mit
einer Depesche beantwortet habe, eben dein besser gelaunter, der auch
meine Stimmung gebessert hat. Ich will dir nur – ehe Herr Fleck er¬
scheint, mit dem ich mich über sein Liebelei-Scenarium zu unterhalten
habe, von gestern berichten. Vormittag im Fischer-Bureau, nur mit ihm
sehr freundschaftlich gesprochen. Er bittet dich ihm den Roman persön¬
lich zu schicken. Er wird ihn gleich lesen (du nimmst dieses gleich
hoffentlich nicht gar zu wörtlich). Zu Tisch war ich bei Paul Goldmann,
Frau und Tochter, zusammen mit Paul Marx. P. G. ist übel auf die Neue
freie Presse zu reden und kennt die dortige Wirtschaft. Vorher ein son¬
derbarer Zufall: ich gehe durch die Kurfürstenstrasse (zum ersten Mal
in meinemLeben) – begegne einer Dame, die mich an Fräulein Soltau erin¬
nert; – meine Gedanken gehen weiter über die Schicksale der »Therese«
wieder zu Fräulein Soltau; – ich denke eben an ihr altjüngferlich ver¬
grämtes Gesicht mit sozusagen sozial-literarischer Anteilnahme – da
steht sie leibhaftig vor mir – zu kurzem Aufenthalt in Berlin,vor ei¬
ner Stellung in Hamburg (allerdings kommen auf einen solchen Fall ei¬
nige Millionen andere, in denen man den Leuten, an die man eben denkt,
nicht begegnet). Abend bei Michaelis, wo ausser mir nur Fischer und Frau
(er würde gerne Else und Frau des Richters, die auch er – nicht einmal
dem Namen nach kennt!! – in seinen Verlag übernehmen). Dann noch zu Lucy,
wo Heini und Fehling. Ich spielte Walzer, Heini Bach und Händel, womit wir
ins neue Jahr eingingen. Um zwei ins Bett.–

Heute Vormittag mit Heini nach Zehlendorf, Steinrück, seine charmante Frau
und zwei Mädeln 4 und 2 Jahre alt, Barbara und Ursula.– Mit Heini im Hotel
gegessen. St. musste (Nachmittag) Volpone spielen, er ist auch für den
Liebelei-Film engagiert, um – einen überflüssigen Herrn am Grabe Fritzens
zu mimen und damit er auf dem Zettel steht). Herr Schröder hat tele¬
graphiert, dass er erst Dienstag kommen kann; ich habe ihn für Dienstag
Vormittag bestellt. Am Abend will ich nach Wien reisen.– Heute Abend