Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 28. Dezember 1926

Wien, 28.12.1926.

An A.S. nach Berlin.

Mein Liebes, denke Dir, der Brief, den Du mir gestern telefonisch ange¬
kündigt hast, ist bisher nicht eingetroffen und es ist schon 1 Uhr
Mittag. Ich schreibe Dir trotzdem, denn ich möchte, dass Du morgen
zum Sylvesterabend ein paar Zeilen von mir hast. Es war mir sehr leid,
dass wir gestern wieder so auseinandergerissen wurden. Vielleicht
müsstest Du beim Anmelden sagen, wie lange Du sprechen willst. Ich habe
am Vormittag das Jo-Kapitel zu Ende dixtiert und auch die Umstellung
am Schluss vorgenommen. Ich bin begierig, was Du mit Wiegler sprechen
wirst. Auch der Titel macht mir Sorge. Am Nachmittag waren
Lotte M. und Emmy E. da, es war nicht allzu amüsant. Heute Vormittag
bei entsetzlichstem Wetter zur Schwägerin Emmy in die Alserstrasse.
Nachmittag ist der Thee bei Byck und Abend bin ich wieder allein zu¬
hause. Cary ist zu Magda nach Maria Zell, die Familie W. nach Aussee.

Glaubst Du nicht jetzt selbst, es wäre netter und richtiger
gewesen, Du wärest über die Feiertage mit mir geblieben und dann nach
Berlin. Du hättest alle Leute angetroffen, die in den Feiertagen fort
sind und in 8 Tagen mehr erledigt, als jetzt vielleicht in 12. Und
Heini wäre ja doch nicht allein gewesen, da er die Lucy M. hat und
hätte ein paar Tage warten können. Denn Du und ich wär haben doch ei¬
gentlich wirklich nur Eines das Andere. Darüber solltest Du Dir endlich
einmal klar sein und Dich darüber freuen. Ich wünsche wirklich nichts
anderes als für Dich da zu sein, unsere Beziehung als das Endgültige im
[L]eben zu betrachten und wenn es Stunden und Tage gibt, wo Böses in uns
erwacht, so bist immer Du Schuld daran. Es ist dies kein gutes Jahr
gewesen und doch weiss ich, dass wir uns über manche Unstimmigkeit hin¬
weg immer mehr geworden sind und Du weisst es auch.

Bringe nur in diesem neuen Jahr auch Du den guten Willen
mit, das, was Unstimmigkeiten erzeugt, zu vermeiden, die immer ihre
Ursache in Unklarheiten und kleinen Unaufrichtigkeiten haben, für die
ich sehr empfindlich bin. Wir sollten Beide so froh und glücklich sein,