Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 10. August 1926

Zürich, 10.8.26.

Baur au Lac.

An A.S. Adelboden.

Mein Liebes, guten Morgen – ich kann nicht sagen, dass ich Dir jetzt
näher bin, denn ich war Dir diese ganze Zeit sehr sehr nahe. Aber
es ist ein gutes Gefühl räumlich nicht mehr so getrennt zu sein.
heute ertönte das Telefon und ich habe Deine liebe Stimme gehört.
Schade, dass Du mich so schlecht verstanden hast, aber das Wesentlichste
weisst Du nun doch und alles Uebrige erzähle ich bald mündlich. Ich
bin so froh, dass wir uns bald sehen und ich hoffe, es wird eine schöne
und glückliche Zeit.

Die Fahrt hieher war sehr unangenehm. Der Zug durch einen
Transport amerikanischer Juden, die aus Warschau stammten (der ganze
Waggon kam aus Warschau) übervoll und die ganze Nacht zu Sechst im
Coupé. Dafür hier ein entzückendes Zimmer mit eigenem Waschraum, Te¬
lefon, alle Signale, Türschliesser und Türöffner beim Bett für 12 frcs.
täglich. Natürlich eine Protektionssache. Die P.'s lieb, amüsant, ein
bischen dumm und sehr erholend. Und ich hatte Erholung nach den letz¬
ten Tagen sehr nötig. Und so hoffe ich in leidlich äusserer Verfas¬
sung zu Dir zu stossen. Gestern nach meiner Ankunft nur das Notwen¬
digste ausgepackt, getratscht, gelacht, Toilette gemacht, durch die
Stadt gebummelt. Bei Hughenin geluncht. Ausgezeichnet. Dann geruht,
um 4 Uhr herrliche Autofahrt über den Alois nach Luzern, nur etwas
kühl. Beim Luzerner Hughenin die Jause genommen. Luzern ist tausend¬
mal schöner als Zürich und machte mir wieder, wie vor zwei Jahren ei¬
nen grossen Eindruck. Wundervolle Heimfahrt über den Zugersee und
Talville. Um ½9 zuhause. Wir hatten uns schon Nachmittag Schinken
und Obst besorgt und nachtmahlten im Zimmer, um zu sparen, weil wir
doch schon bei zwei Hughenins an dem Tag waren und hier im Haus ist
das Essen noch teuerer. Wir wollen immer eine verschwenderische und
eine einfache Mahlzeit nehmen. Wie ich Dir sagte, wollen die P.'s
noch nicht von hier fort und mir ist es sehr recht, umsomehr, da ich