Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 30. Juli 1926

Adelboden, 30.7.1926.

(nach Wien)

Mein Liebes, gestern Abend schon gegen 10 – das ist hier die Posthotel¬
zeit, kam Dein schöner Brief und, so bin ich auch einmal, in aller
Früh nach Thee, Butter und Honig, antwort ich schon. Die Berge gegen¬
über sind heute überhaupt nicht sichtbar; bis vor einigen Minuten
hat es gegossen, (der übliche Zustand) und jetzt linken die Nebel
tief ins Thal. Trotzdem hab ich gestern (während einer leichten Wetter
besserung) einen hübschen Spaziergang gemacht und am Abend, vor dem
Diner, bin ich im Regen ein wenig unhergewandelt. Am Abend war ich mit
dem 9bildrigen Stück beschäftigt, das mich in seiner ersten Hälfte an¬
regt und in seiner zweiten bedenklich macht. Ueberdies habe ich mir
die Bad[e]ner Novelle, erste Hälfte durchgesehn, die wirklich sehr gut ist.
Und so schade wäre, wenn man den Schluss verpatzte. Jedenfalls aber
wird sie bis zu Herbstanfang erledigt sein. Dass sie bis zu Weihnachten
als Buch erscheinen könnte, ist natürlich ausgeschlossen: zuerst muss
ich sie ja in einer Zeitung drucken lassen
und ich weiss, dass nicht immer gleich der Platz da ist! Und nun gar
was den Roman anlangt!! Sollte überhaupt was daraus werden, so verhält
sich die Sache chronologisch wie folgt; im besten Fall ist der Roman
gegen Weihnachten druckfertig; – ein Erscheinen in einer Zeitung – vo¬
rausgesetzt, dass die Verhandlungen wegen Honorar u. dgl. glatt
gehen, bestenfalls Herbst 1927, in Buchform Weihnachten 27 oder Frühjahr
28. (Natürlich geben die Arbeiten an andern Dingen während dieser Zeit
weiter). Wie naiv mein Kind bist Du noch in diesen Fragen, trotzdem
Du schon Gelegenheit hattest einige persönliche Erfahrungen zu sam¬
meln; – und wie sonderbar, dass Du immer denkst, ich könnte im 65. Jahr
meines Lebens und im 50. meiner Arbeit meine Arbeitsweise ändern! Und
alle äusserlichen Dinge sind natürlich von Jahr zu Jahr schwieriger
geworden; und umso mehr müssen die Verhandlungen von Jahr zu Jahr be¬
dachtsamer und vorsichtiger geführt werden. Ja, wenn man auf alles ohne wei¬