Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 27. Juli 1926


tert von der »Else« – Uebersetzung, die er mir um ½12 Uhr zur Gutruf
bringt. Ich übernehme nur das Heft und gehe meiner Wege, da ich Besor¬
gungen und keinerlei Lust zu einem Bummel habe. Meine Stimmung ist über¬
haupt, wohl auch im Zusammenhang mit physischen Unbehagen nicht die beste.
Der Abreisende hat es übrigens immer leichter – Abwechslung, Bewegung,
neue Eindrücke, andere Menschen. Ich bleibe in dem gewohnten Rahmen zu¬
rück, dem sozusagen der »tägliche Glanz« fehlt. Möchtest Du mir nicht
auch mal so was Nettes sagen?

Heute Abend nachtmahlen meine Söhne bei mir. Ich hab meine
Kinder, weiss Gott, sehr gern und war nie eine schlechte Mutter, aber man
ist schliesslich doch nur für die Kinder da, wenn sie einen brauchen, sie
nie für einen.–Heute ist Carly ein Brief von der Magda viel wichtiger
als ich und ich verstehe es.

Den »Laudin« habe ich gestern noch begonnen und bis S. 60
gelesen. Wenn mir auch bisher keine einzige Figur sympathisch oder in¬
teressant erscheint, das Abendgespräch der zwei kleinen Töchter von ei¬
ner unglaublichen Unnatur ist so ist doch die Begabung und das Niveau
turmhoch über Raoul A. zu stellen, dessen Roman mir täglich zuwiderer
wird. Nun aber ist dieser erste Brief wirklich unglauplich lang ge¬
worden. Antwort mir gleich, denn wenn ich in die Schweiz fahre, schreibe
ich gleich nach Erhalt Deiner Antwort an das Hotel Gotthard nach Zürich,
wenn nicht schreibe ich den P 's. ab und setze mich gleich mit Golling in
Verbindung. Natürlich haben Sparmassregeln nur dann einen Sinn, wenn sie
von allen Beteiligten ergriffen werden, denn sonst ist der Unterschied
ein zu geringfügiger. Ich möchte gerne alle Sorgen und Unannehmlichkeiten
von Dir nehmen und wenn Du Dich immer vorher mit mir beraten wolltest,
ginge es auch. Nun Lebwohl, mein Kind, ich küsse Dich von ganzem Herzen.

Deine

C.K.