Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 26.–29. Juli 1926

Tagebuch.

26.7.1926. Gestern ist A. weggefahren. Noch nie ist mir der Abschied
so schwer geworden, vielleicht, weil wir uns noch nie so lieb hatten
und so glücklich zusammen waren.

Ich mache mir auch grosse Sorgen um ihn, gestern Abend sah er so blass
und verfallen aus. Er lebt über seine Verhältnisse und dann kommt im¬
mer der Augenblick, wo er Angst bekommt nicht genug schaffen, nicht genug
verdienen zu können. Er verschwendet wie ein grosses Kind, das er ist
und seine Familie nützt ihn aus.

Das Wetter kalt und früb, meine Stimmung trüb. Aerger mit Carry, der
wieder bis ½12 im Bett liegt. Begegnung mit B. in der Stadt, der sich
wieder albern benimmt. Ich lasse ihn stehen und gehe zur Schneiderin.
Später Begegnung mit Frieda P. Langes Gespräch über A. Wir möchten ihm
beide helfen. Ich habe ihm gestern einen langen Brief geschrieben, vor¬
geschlagen uns in einem kleinen Ort bei Salzburg anstatt in der teueren
Schweiz zu treffen. Und auch diene Reisepläne seiner Familie einzu¬
dämmern, die von der Schweiz noch ans meer wollen. Viele viele Mil¬
lionen könnten erspart werden. Ich bin begierig auf die Antwort.
Ich friere, es ist kalt wie im November, 10 Grad.

Am Abend Harry und Karl zum Nachtmahl bei mir. Es war nett, wir spra¬
chen wie gute Freunde.

29.7.1926. Wieder Kälte, Regen – Sehnsucht. Ich habe den Laudin ausge¬
lesen. Welche Begabung und wie unsympathisch, eine geniale Mache.
Ich bin müde, verstimmt einsam, kann nicht arbeiten. – Ich gehe jetzt
zu Tante Rosa, was mich gar nicht freut. Vormittag kurze Zeit in der
Stadt gewesen, kein bekanntes Gesicht. Wien scheint ausgestorben.

Ich bin doch nicht zu Tante Rosa gegangen, es hat so geregnet. Die Aende¬
rungen, die in Paris in meiner Else-Uebersetzung gemacht wurden, heraus¬
geschrieben, damit man vergleichen kann. Man merkt, dass der betreffende