21. April 1926.
Südlich von Sardinien
(auf Martha Washington)
(nach Wien)
Liebste, heute sind wir den ganzen Tag in Fahrt. Eben verschwindet
Sardinien und am 24. Samstag Früh sollen wir in Lissabon ankommen.
Heute Nacht war es recht stürmisch, was mich im Schlafen wenig hin¬
derte, nun ist es sonnig, aber kühl, um nicht zu sagen kalt. Und Neapel
war nun leider ganz verregnet. So mussten wir auf Pompeji verzich¬
ten und begnügten uns mit einer Spazierfahrt im offenen Einspänner
in einer der kurzen Stunden, da es zu regnen aufhörte, froren erheb¬
lich, und besichtigten das Aquarium. Auch Nachmittag spazierten wir
in die Stadt und assen in der Galerie Umberto Eis. Das Schiff
wirkt schon ganz heimatlich und ich erhebe es hiemit vom zweiten
feierlich in den ersten Rang. Diesen Brief schreibe ich in meiner
Kajüte; es ist mir gelungen ein kleines Tischchen hereinzubekommen,
die übrige Zeit verbring ich natürlich im Freien! [a]uf dem Liege-
stuhl vor meiner Kajüte; – um das Promenadendeck wandelnd, – in der
Glasterrasse, auf dem obersten Deck zwischen den Rettungsbooten; -
mit Lili oder allein, – mit den verschiedenen Officieren plaudernd; -
so war ich heute in der Radiostation und habe während der Telegra¬
phist einen kleinen Hebel dreht, Rom, Paris, Amerika gehört – nicht
Worte, – aber Zeichen, die mir der Telegraphist sofort in Worte über¬
setzte; – es waren lauter Börsentelegramme, die er auffing.–Von mei¬
nen Manuscripten habe ich noch keines angesehn; ich lese einen Ro-
man von Wells Geschichte einer Ehe, und die Heine-Gespräche.-
Die Passagiere sind ziemlich indifferent; flüchtig bekannt wurde
ich mit dem einzigen ausser uns an Bord befindlichen Wiener, einem
Sectionsrath und jetzigen Direktor bei Schein, namens Hornung. Sonst
fast lauter Amerikaner (auf der Rückreise nach New York) und eini-
ge Griechen. Kein Deutscher. Die Schiffleute, vom Capitän angefan-