Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 19. April 1926

An Bord der Martha Washington.

19.4.1926.

(nach Wien)

Liebste, gestern hab ich in Patras einen Brief an Dich aufgeben
lassen – man konnte wegen des schlechten Wetters nicht an Land
gehen – hoffentlich ist er in Deine Hände gelangt (oder kommt nach
diesem hier, der morgen Früh in Neapel aufgegeben wird). Bald nach¬
dem wir Patras verlassen, wurde es herrlich; – klarster Himmel, kühl
(etwas zu sehr-man kann alle marmen Sachen auf einmal brauchen) -
dabei recht bewegte See mit Wellenspritzern aufs Verdeck. Stun¬
denlang, wörtlich zu nehmen, stehn wir so, auf einem der verschiedenen
Verdecke, und auch das Verbot der Commandobrücke besteht nicht für
uns – was nur zum Theil meinem Namen, zum andern der Galanterie
der Schiffsofficiere (vom Capitän abwärts) gegenüber Lili zu danken
ist. – Uebrigens ist das Schiff von höherem Niveau als ich anfangs
vermuthet; insbesondere die Küche ist ausserordentlich (Largeheit
versteht sich auf dem Schiff von selbst.) – (Uebel ist nur das Kino,-
bald im freien (für die 2.Classe), bald im Speisesaal, – ohne Musik
und so lustige Sachen, dass Du's gar nicht aushieltest (ich auch
nicht)[)]. Aber schliesslich ist man ja nicht deswegen da; – und die
unendliche Meeresfläche, – die Ueberraschungen der Küste,– die Gleich¬
mässigkeit der inneren Schiffsexistenz sozusagen, – das bleibt im¬
mer gleich wunderbar (wenn ich mich auch nach wie vor in
Wiesen- und Waldgebiet heimatlicher fühle) – Wir haben durch den
gestrigen Wind Verspätung und kommen erst am Nachmittag in Palermo
an, für das uns daher nur ein paar Stunden bleiben. Morgen Früh sind
wir hoffentlich zu guter Zeit in Neapel, so dass wir Pompeji besehen
können. Und von morgen (20.) abend geht die Reise in ununterbrochener
Fahrt nach Lissabon, wo wir am 24. eintreffen wollen, und wo sich erst
alles weitere entscheidet. Die Fahrt nach Las Palmas ist wahrschein¬