Florenz, Hotel Bajoni, 17.9.1925

(nach Wien, Pension Kramer)

Mein Liebstes, meine briefstellerische Unbegabung
hat sich diesmal wieder aufs unwiderleglichste erwiesen – und es
wäre ein vergeblicher Versuch mich mit diesem Brief, der wohl der
letzte von meiner Reise sein dürfte, rehabilitieren zu wollen.–Als
in wenigen Tagen – »alles mündlich« – Deinen Brief, ich meldete es Dir
schon auf einer Karte, hab ich gestern erhalten, und freue mich, dass
die Wohnungssache dank Harrys Auszug doch wenigstens theilweise ge¬
ordnet ist. Und mit Dir freu ich mich, nach Regina-Kramer auf die Pe¬
regringasse (wenn sie auch noch nicht das Ideal ist).

Von den psychologischen Details dieser Reise erzähl ich Dir persön¬
lich. Die anfangs harmlos-gute Stimmung ist in den letzten Tagen,
hauptsächlich durch pädagogische Gespräche erheblich gestört worden.
Ich habe mich hier so ziemlich auf eigene Füsse gestellt – war Vormit¬
tag in den Sammlungen mit Lili oder allein (schon weil Wanderungen
insbesondere Kunstwanderungen zu fünft nicht mein Geschnack sind).
Nachmittag d.h. gegen Abend fuhren wir nur alle im Auto ins Freie,-
Montag Viale dei Colli,– Dienstag Fiesole: – Mittwoch Certosa.–Das
Wetter war köstlich; – die Landschaften berührten mich stärker
als es vor 11 Jahren der Fall war, – und in den Uffizien entdeckte ich
manche neue Herrlichkeit.-

K.'s sind gestern abgereist; – die Sympathie zwischen mir und ihr hat
sich nicht eben vergrössert; das Kind, die Freundin Lilis, ist von bes¬
serer Art.–In einer Stunde Abreise nach Venedig. Sehr wahrscheinlich,
dass ich Lili noch eine Weile (8-12 Tage) mit O. in Venedig lasse;
aber das wird sich erst im Laufe des morgigen Tages ergeben. Ob auch
W. (bei Alma) in Venedig war aus den Briefen Almas nicht zu entnehmen.
Mein Liebstes, ich füge nichts weiter hinzu, als dass ich mich – auf
mein Haus, auf meine Arbeit und vor allem auf Dich mehr freue als ich
sagen kann. Hoffentlich find ich in Venedig ein liebes Wort von Dir.
Sei zärtlich umarmt. Dein A.