Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 14.–19. August 1925


essen, nachher spielte er auf meinen Wunsch nach langer Zeit wieder
Klavier und dann stiegen wir zu seiner Terrasse hinauf, die ganz in
Mondlicht getaucht war.

15.8.1925.

A. hat mich eben angerufen. Ich soll morgen Abend in Bozen sein und
voraussichtlich dann mit ihm in die Schweiz hinüberfahren. Er sagte:
"Ich bin froh D eine Stimme wieder zu hören.["]

19.8.1925. Pontresina

Hotel Pontresina.

Nach zwei unvergesslichen Tagen bin ich hier angelangt. Auf einmal
ist es so, als wären zwei Jahre versunken und wir wären da, wo wir vor
zwei Jahren in dem ersten Sommer unserer Liebe waren. Und doch auch
wieder anders, denn ich glaube, wir haben uns viel lieber als damals.
Ich habe zu jener Zeit unserer Beziehung keine lange Dauer gegeben,
glaubte eher an eine Episode. Heute würde ein Ende einen furchtbaren
Riss in meinem Leben bedeuten.

A. war mit Blumen in der Hand an der Bahn, als ich in Bozen ankam.
Mein Zimmer im »Laurin« war vorbereitet. Wir nachtmahlten gegen¬
über im Hotel Bristol, bei Musik. Es war ein wundervoller milder Som¬
merabend und wir hatten uns so lieb, wie vielleicht noch nie. Es ist
mir übrigens ganz klar, dass A. mich am liebsten hat, wenn ich aus ir¬
gend einer Ferne zu ihm oder er zu mir kommt.

Die Fahrt am nächsten Tag im Privatauto (Steffenelli) über den Tonale¬
pass nach Tirano war unbeschreiblich schön. A. und ich hielten uns
immer bei der Hand und ich war so glücklich, dass ich Angst hatte.
Ich habe sie eigentlich noch. Womit werde ich diese Zeit bezahlen
müssen? – ich war ganz froh, als ich gestern Vormittag mein goldenes
Armband auf dem Weg von Cellerina nach St. Moritz verlor. Aber ich
habe es leider wieder bekommen. Sollte es ein Ring des Polykrates
sein!! A. wohnt in Cellerina drüben, wo auch seine Schwester mit ihrem