Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 4. August 1925

Riva, 4. August 1925.

An A.S. Karerpass-Hotel.

Liebster, ich schickte von hier einen telegrafischen Gruss an
Dich ab, da die Postverbindung, wie mir der Portier sagte, nicht ganz
verlässlich ist, nämlich was die Dauer anbelangt. Es kommt vor, dass
sie einen Tag später hier weggeht, als man sie aufgegeben hat. Also
nun zuerst eine Reisechronik. Die Fahrt war recht beschwerlich. Wir
waren 6 im Coupé, die Mitreisenden höchst unsympathisch. Ich habe
2 Stunden auf 2 Sitzen zusammengerollt geschlafen, nämlich von ½ 12
bis ½ 2, während Carly sich im Gang aufhielt. Wir haben uns den
ganzen Tag von Bananen und Deiner Schokolade genährt, stiegen in
Bozen und Rovereto (nicht Mori) um, sind um ¼ 6 Uhr sehr müde hier
gelandet. Die Fahrt mit der Kleinbahn von Rovereto hieher ist ungemein
reizvoll, erinnert im Charakter sehr an die tragische Landschaft zwi-
schen Molveno und Trient. Riva selbst ist viel schöner, als ich er-
wartet habe. Ich muss sogar sagen, ich finde es besonders schön und
dabei gar nicht heiss, wenigstens bisher. Als ich gestern Abend mit
Cary im Mondschein und unter Palmen ein wenig spazieren ging, war es
fast kühl, der Anblick märchenhaft. Dabei spielte eine Kapelle in
der Hotelhalle abwechselnd mit einer andern, die bei einem grossen,
kreisrunden zemmentierten Tanzplatz im Freien spielt. Gestern war
selbst Cary zu müde, um sich für diese Tanzgenüsse mehr zu inteessie-
ren und ich glaube bei näherer Betrachtung werden sie durch die Be-
teiligten verlieren. Das Hotel scheint gut – im Rang und viell[e]icht
auch in der Art wie das Splendid-Hotel in Lugano. Das Essen besser
(oder vielleicht erscheint es mir nur nach »Kramer« so), wenn auch
nicht auf der Höhe der Engadin-Hotels. Nicht einverstanden bin ich
mit meinem Zimmer und mit dem Publikum. Das erstere wird sich viel-
leicht ändern lassen. Das Zimmer ist zwar kühl und geräumig und auch
die dürftige Einrichtung würde mich nicht stören. Aber – es liegt