Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 25. Juni – 1. Juli 1925


nach St.Martino antreten.

Sonne und Himmelsbläue leider nach einer Stunde Fahrt vergangen, die
sehr darunter litt. Es fehlt dieser Reise, wie unserer Beziehung hier
an Sonne und Wärme des Herzens. Sinne – nur Sinne, das langt nicht.

28.6. Ich bin nicht glücklich. Nein – ich bin bin nicht glücklich.

29.6. Grosser Autoausflug Karersee, Pordoi-Pass (2500 m) Col di Lana
nach Cortina. Dort Hotel Bristol, 2 Stunden Rast. Dann über das Ampezzo-
tal Landro, Toblach, Brixen zurück. Die Fahrt herrlich. Eine Fülle der
schönsten verschiedenartigsten Landschaften – an den zerschossenen
Stellungen der Italiener und Oesterreicher vorüber (ergreifend), an
Heldenfriedhöfen, zwischen schneebedeckten Berggipfeln vorbei in die
blühendsten Täler hinunter. 8 Stunden gefahren. Anfänglich gute Stim-
mung, später Düsterkeit, kaum ein liebes Wort und wenn ich dann stumm
und kühl werde, Erstaunen von seiner Seite. Verstimmung und schliess-
lich sogar schlimme Worte von beiden Seiten. Und so werden diese paar
Tage vergehen, auf die man ein Jahr lang gewartet hat. Ich empfinde
das Verrinnen solcher Stunden wie ein physisches Leid. Baden-Baden
ist Schuld.

30. Juni. Ein böser tränenreicher Tag, dem endlich ein schöner, wunder-
schöner Abend folgte. Ich schrieb ihm einen Zettel in sein Zimmer:
»Ich reise ab, so geht es nicht weiter. So ein Zusammensein ist sinnlos".
stellte ihn vor die Wahl – er wählte mich. Warum man sich doch so
quält, wenn man sich doch so gerne hat.

1. Juli. Herrlicher Ausflug über die Mendel zum Morenosee und zurück
über Trient. Die Landschaft zwischen Moreno und Trient wie A. sich
äusserte, eine dramatische Landschaft. Mich erinnern diese Felsen an
den Turmbau zu Babel im kunsthistorischen Museum (von Breughel glaub
ich). – Am Abend hat A. meine Novelle zu Ende gelesen, »das Kind der
Liebe«. Viel darüber gesprochen. Zum Schluss noch grössere Änderungen