Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 20. Juni 1925

Salzburg, Hotel Bristol

20.6.1925.

An A.S., Baden-Baden.

Liebster,

wie Dir meine Karte schon gemeldet haben wird, kam ich
gestern um ¼ 8 Uhr Abend mit dem D-Zug hier an. Die Reise war
höchst angenehm, ich verplauschte die sieben Stunden mit einem Herrn,
dessen Namen ich nicht kenne, aber dessen in Wien zurückbleibende Frau
ich als Mädel öfters bei meinen Cousinen T. gesehen habe. Und da wir
uns am Perron gegenseitig erkannten, war die Anknüpfung für ihn ge¬
geben. Sie ist die Tochter des ehemaligen Bürgermeisters Grübl. Er war
recht sympathisch und gesprächig und bedauerte sehr, dass ich nicht
auch bis Paris weiterfuhr.

Hier war die Ankunft trüb, regnerisch und kalt. Dein Brief
hat mich auch weder beglückt noch erwärmt. Er ist ja gewiss sehr
freundlich, aber man spürt ordentlich die Angst vor jedem aufgeschlos¬
senen Wort, vor jeder nicht genau bemessenen Zärtlichkeit. Wenn Du
wüsstest, wie müde mich das macht.

Vielleicht hätte ich meinen Bruder Fredy nach Fiume resp.
Abbazia begleiten sollen, woran ich sehr dachte. Aber irgendwie liess
ich mich durch unser letztes Telefongespräch bestimmen hieher zu fah¬
ren. Und nun bin ich hier und es lockt mich nicht hier 14 Tage allein
sitzen zu bleiben, und ebensowenig in Ischl Familienkult zu treiben.
Aber ich freue mich auch nicht der gemeinsamen Reise entgegen, wie man
sich auf eine solche freuen sollte. Du nimmst jeder Freude den Glanz
fort. Ich komme, da Du es wünschst, aber nicht mit jenem Glücksgefühl,
das man zu einer solchen Begegnung mitbringen sollte. Schade! Im übri¬
gen geht es mir gesundheitlich gar nicht gut. Dieser quälende Winter,
die letzten Tage und schliesslich auch das Einpacken in dem beengten
Raum, das alles war entschieden zu viel für mich. Hoffentlich werde
ich mich hier in diesen drei ruhigen Tagen und bei meiner Elastizität
wieder erholen. Ich treffe also Dienstag (hier ab 6 Uhr 35 Früh) um