Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 15. März 1925

Berlin, 15.3.1925.

(nach Wien, Hotel Regina)

Liebste,– Sonntag Morgen, Schneegestöber vor dem Fenster (in dem stillen
Hof des Esplanade-Hotels), wie im tiefsten Winter. Aus meinem pro¬
jektierten Spaziergang im Tiergarten wird nichts; denn der Schnee zer¬
geht und man würde versinken (wie es schon gestern der Fall war oder
gewesen wäre – wenn ich nicht in Autos und mit Autos geurast hätte[)]. -
Im Hotel habe ich ein nicht grosses, aber höchst angenehmes Zimmer -
ohne Bad, was unverhältnismässig verteuert hätte (nebstbei wäre es ein
zweibettiges auf die Strasse gewesen). – Meine Karte hast Du wohl bekom¬
men. Also ich speiste bei Michaelis; – Heini kam von der Probe etwas spä¬
ter – hatte arge Kopfschmerzen, gegen das auch Pyramidon nicht half.
Um 5 Uhr in Hotel zurück, gedöst; dann ins Schauspielhaus; Konfusion
mit den Billets; sass endlich in der zweiten Reihe, Michaelis in der zwölf¬
ten; – Charleys Tante; lachte anfangs viel, ermüdete dann; – es war selt¬
sam und doch nicht seltsam genug, Heini da oben nicht nur einen heitern,
quasi komischen Liebhaber (im englischen College-Costüm) spielen -
sondern auch – singen und boxen zu sehen und zu hören (wie er allen
davon lief[)]. Das ganze ein Silvesterulk, der nun solchen Erfolg hatte,
dass sie ein Zugstück daraus machten. »Charley[s] Tante« spielt neuerlich
Krauss, der Wallenstein des Theaters, – dir und mir bisher nur aus zahl¬
reichen Filmstücken bekannt. – Vor dem Theater erwartete uns Paul
Marx, den ich als Spion ins Märchen geschickt hatte; – es war nach sei¬
nem Bericht das miserabelste von einer Provinzvorstellung, – der Bei¬
fall soll freundlich gewesen sein. Im übrigen sprach M. im Theater
den Paul Goldmann; – der ihm erzählte, er habe eben einen Brief von mir
erhalten, der ihn sehr gefreut habe. (Siehste!) (Wer mir prophezeit
hätte, dass die Uraufführung des Märchens 32 Jahre nach der Wiener
stattfinden – dass ich zu gleicher Zeit in Berlin sein – und am sel¬
ben Abend mein Sohn auf einer anderen Bühne – singen und forxtrotten
sehen werde – und dass dies sein ungefähr 500. Auftreten
vorstellen würde![)] -

In einem Restaurant Stallmann (von Theaterleuten bevorzugt)