An A.S. nach Berlin.
Wien, 14.3.1925. Hotel Regina.
Mein Liebes,
ich habe momentan grosse Lust Dir zu schreiben und sehe
nicht ein, warum ich meinen Gefühlen in dieser Richtung Zwang aufer¬
legen soll. Ein trister Tag geht seinem Ende entgegen. Vormittag
war ich kurze Zeit in der Stadt. Meine vielen Packerln mit Le¬
bensmitteln, Fleisch, Butter, Kartoffeln, Gebäck und ein kalter graus¬
licher Wind trieben mich bald nach Hause. Ich machte noch vor Tisch
ein paar Ergänzungen auf der letzten Seite des Entwurfs der neuen
Novelle, wodurch das, worauf es mir ankommt, deutlicher wird. Ich werde
Dir die Abschrift einsenden, damit Du mir Deine Ansicht darüber schreibst,
Ich möchte an diesem Schluss überhaupt nicht mehr viel ändern, nur
ein paar lokale Beschreibungen der Landschaft und des Brandes ein¬
fügen. Ich habe übrigens mit dem eigentlichen Schreiben auch schon
begonnen und möchte den Ton und Stil des Schlusses durch die ganze
Erzählung festhalten. Mittag habe ich wieder gekocht, abgewaschen und
ich finde wirklich (ohne zu grosse Ueberheblichkeit), meine schönen
Hände wären anderer Tätigkeiten oder Verwendungen wert. Manchmal
graust mir schon vor dieser Lebensweise. Von ½3-½4 habe ich geschla¬
fen, sogar sehr gut geschlafen, dann kleidete ich mich um und brachte
mein Zimmer in Ordnung.
Du sitzt jetzt wohl ½8 Uhr im Theater. Ich bin schon
eine neugierig auf Deinen Bericht, Reise, Wiedersehen mit Heini, Dei¬
ne Eindrücke etc. Ich bitte Dich lasse nur keinen Menschen zu Dir
ins Hotel; Interviewer oder Leute, die Dich sprechen wollen und die
Du nicht genau kennst. Alles kann ein Vorwand sein, um sich Dir zu nä¬
hern und äusserste Vorsicht scheint mir in der jetzigen Zeit gebo¬
ten. Lass Dich auch nirgends von Unbekannten ansprechen.
Jetzt werde ich mich in den einzigen Lehnstuhl meines
Lehnstuhls und in die »Epistola« versenken, die Frieda für mich ab¬
gegeben hat.–Ich sage Dir für heute Gute Nacht und gebe Dir mit ge¬
schlossenen Augen einen warmen Kuss. Deine C. K.