Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 18. Januar 1925

Ich habe ein Zimmer im »Privathotel« in St.Moritz, vom 21. an; -
doch bin ich noch nicht sicher, dass ich dort bleibe, vielleicht über¬
siedel ich ins Badrutt, – auch das Privathotel gehört dem Caspar Ba¬
drutt und ich fürchte das Pr.-H. ist zu klein und pensionsmässig.-
So verbring ich denn wahrscheinlich noch den ganzen Dienstag hier, und
fahre Mittwoch Früh in einer Tour nach St. Moritz. Dorthin, Liebste,
schreib mir poste restante. Am Tag nach meiner Ankunft in St. Moritz
werd ich Dir wohl schon den Tag meiner Abreise auch mitteilen können.
Die Frau ohne Schatten wird von den Adepten sehr hoch gestellt – ich
liebe sie, bei aller Verneigung vor ihren hohen Qualitäten, nicht
mit dem Herzen.–Der Bassonpierres ist bekanntlich von Goethe (in
der Unterhaltung der Ausgewanderten); Hugo hat nur 1 oder Absätze
hineingedichtet; – man hat es ihm damals einigermassen übel genommen,
dass er der bescheidenen Mitarbeiterschaft Goethes an seiner Novelle
nicht einmal erwähnt hatte.-

Und Deine Novelle-? Wird sie schon fertig sein, wenn ich zurück¬
komme? Wir wollen beide das unsere dazu tun! – Heut will ich mich wieder
sehr schonen, vielleicht sogar Nachmittag auf 1-2 Stunden ins Bett le¬
gen; und niemanden sprechen. So wird es hoffentlich nicht nötig, dass
ich absage, was mir aus verschiedenen Gründen sehr unangenehm wäre -
und gar dem Literar. Verein! Die Heiserkeit ist besser; ein Schnupfen
erklärt sich. (Ich versteh ihn auch so ganz gut.)

Nun, mein Schatz, sag ich Dir Adieu – und darf heute auch schon
hinzusetzen »auf Wiedersehen« -; nach Wien sehne ich mich überhaupt
nicht, nach Dir umso mehr... Sei zärtlich umarmt! Dein A.