Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 13. Januar 1925

Freiburg, 13.1.1925.

Liebste, -um 10 wollt und sollt ich weiter – der Zug hat ein paar
Stunden Verspätung, ich kehre ins Hotel zurück und benütze die Zeit,
Dir wieder einmal ausführlichere Grüsse zu senden. – Von dem Baden-Bad[e]ner
Vortrag habe ich Dir schon einen knappen Bericht geschickt; in dem
entzückenden kleinen Kammerspielsaal las ich (sehr gut) Redegonda,
Letzte Masken, Weihnachtseinkäufe. Im Hotel mit Dr. W. Neumann (Arzt) und
Dr. Grusendorf (Oberregisseur) gespeist. Nachher in dem schönen
Hotelpark plaudernd promeniert. Heller Wintertag.–Spaziergang in
der Herchenbachstrasse; von dort (Frau Grete L.) Lili abgeholt.–Be¬
such beim Bankier Hermann, der mich beim Vortrag gesprochen. Etwas ko¬
mische Bürgerfamilie mit Einrichtung aus den achtziger Jahren. Die
Tochter ein Misni[c]k eben nach kaum einjähriger Ehe wieder nachhaus
zurück. Genachtmahlt mit Frau Grete L. und ihrer Mutter. Gestern Früh
aus Baden-Baden mit Lili fort. in Baden -Os in den Zug, mit dem O.
kam. Ueber Heini, Herzensangelegenheiten und Zukunftspläne (nicht
auf die Herzenssache bezüglich – aber Wien scheidet vorläufig aus. Sehr
gute Aussichten bei Jessner.) Persönliches wurde nicht berührt, -nur
von gesellschaftlichem Verkehr, Theaterbesuchen – dgl. gesprochen.-

Zu Mittag war ich in Freiburg. Prof. Witkop an der Bahn
(Professor an der hiesigen Universität), mit ihm gleich Buch¬
handlung Momber. Erzählt von den vorhergegangen Vorlesungen Thomas
Mann -, der zwei Stunden ununterbrochen Zauberberg las – so dass
die Meisten während der Vorlesung die Flucht ergriffen. Das habe dem
Vorverkauf für die nächsten Abende geschadet. Werfel hatte Erfolg.-

Ins Hotel zurück; sehr mässiges Mittagessen – bald holt mich
Prof. W. ab; – Spaziergang durch die winterliche Stadt; Rauhreif und
Nebel. Gespräch über Mann, Brandes, Wedekind, Hasenclever, Politik u. s. w.
Eine Weile zuhause. Dann wurde ich von Momber im eigenen Auto abgeholt;
in dem bereits Prof. W. und seine sehr hübsche halb holländische Frau
sass.–In irgend ein Stift oder dergleichen -ein abscheulicher Paulus-¬