Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 10. Januar 1925

Wien, Hotel Regina, 10.1.1925.

nach

Geliebter Freund, ich will versuchen Dir einen Brief zu schreiben, obwohl
es mir an der, rechten Stimmung fehlt, aber ich denke mir, l'appetit vient
en mangant und so kriege ich vielleicht auch erst Lust, wenn ich dabei
bin.

Heute Früh kam Dein lieber Gruss aus M. und ich hoffe, dass die 4 Karten,
die ich bereits abgeschickt habe, auch pünktlich in Deinen Besitz gelangen
werden.–Am Montag höre ich wohl schon, wie es Dir in Stuttgart ergangen ist
und ob Dich der Abend nicht ermüdet hat. Bitte sende mir auch von überall
eventuelle Zeitungsausschnitte ein.

Ich komme eben aus der Stadt. Trotz blauen Himmels und Sonnenschein
weht ein unangenehmer Wind mit viel Staub und ich bin früher heimgekehrt.
Ich traf Siegfried T., der mir nach einem kurzen Gespräch über »Lenormand«
und die Premiere letzthin sagte, – ich soll Dich grüssen, wenn ich Dich
sehe. Ich antwortete, er wisse wohl, dass Du auf einer Vortragsreise
bist. Er tat sehr erstaunt und frug mich aus, wo Du lesen wirst. Ich
nannte Stuttgart, Baden-Baden und die Schweiz ohne weitere Details. Er
sagte lächelnd: »Ach, da besucht er wohl in B.-B. seine Frau?« Worauf
ich antwortete, sie sei derzeit gar nicht dort. Wieder eine Frage, wo sie
denn ist -kurzum ein reines Verhör. Ich antwortete ruhig und harmlos,
ohne mit der Wimper zu zucken, aber es ist unglaublich, wie taktlos die
Menschen sind. Ich bin übrigens ganz überzeugt, dass er ganz genau wuss¬
te, dass Du nicht hier bist, da ja die Hofrätin, Salten u.s.w. orientiert
sind.

Morgen Früh fahre ich für den ganzen Tag mit Carly nach Mödling. Hoffent¬
lich ist das Wetter günstig und wir können einen langen Spaziergang
machen. Am Montag Nachmittag bin ich, wie ich Dir schon schrieb, bei
Glücksmann im Volkstheater, aber ich halte wenig von dieser Unterredung.
Er sagte mir, dass er die 5 kleinen Einakter wieder mit grossem Interes¬
se gelesen hat und er sie nach wie vor sehr gut findet, aber ob ich